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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Fleck nachschauend, hatte sich Userref respektvoll verneigt. »Horus«, hatte er unwillkürlich in seiner Muttersprache gemurmelt. »Möge er bis in alle Ewigkeit leben.«
    »Er ist direkt aus der Sonne gekommen«, hatte Pirra gestammelt. »Wo – wo lebt er?«
    »Falken leben überall, wo es ihnen gefällt.«
    Einfach dort leben, wo man wollte. Einfach dorthin gehen, wo es einen hinzog … »So einen schnellen Vogel habe ich noch nie gesehen«, hatte sie gesagt.
    »Schnellere Geschöpfe als Falken gibt es auf der ganzen Welt nicht.«
    Pirra, die sich in dem vollgestopften Frachtraum kaum rühren konnte, strich mit dem Finger über ihren Siegelstein. In den Amethyst war ein kleiner Vogel geschnitzt, den sie bisher für einen Spatzen gehalten hatte. Nun wusste sie, dass es ein Falke war.
    Sie hielt den Atem an, als sie sich vorstellte, wie ein Raubvogel auf dem Schiffsmast zu hocken, die Schwingen auszubreiten und einfach davonzufliegen.
    Bisher hatte sie noch nie an Flucht gedacht. Sie hatte ihrer Mutter geglaubt, als sie ihr die Freiheit versprochen hatte. Alles Lüge.
    Aber was, wenn es ihr wirklich gelang, auszureißen?
    Mit einem Mal vermochte Pirra ihre Aufregung kaum zu zügeln, und ihre Gedanken überschlugen sich.
    Selbst wenn ihr die Flucht gelänge, konnte sie niemals auf eigene Faust in einem fremden Land überleben. Sie würde nach Keftiu zurückkehren müssen – und damit wäre dann die Heirat mit dem Sohn des lykonischen Stammesfürsten ein für allemal ausgeschlossen …
    Wie aber sollte sie es anstellen?
    Plötzlich hatte sie eine Idee. Während der Grüngersten-feier hatte ihre Mutter in einer Opferschale einen Sprung entdeckt. »Schafft das sofort weg!«, hatte sie ihre Bediensteten angeherrscht, und ein Sklave hatte die Schale in hohem Bogen über die äußere Umfriedung der Tempelanlage geschleudert. Später war Pirra auf die Terrasse geklettert und hatte das Gefäß zwischen den Mohnblumen erspäht. Sie hatte es von Herzen beneidet. Es war beschädigt, aber frei.
    Damals hatte sie nicht weiter darüber nachgedacht, aber jetzt …
    Alles Beschädigte war im Tempel der Göttin wertlos. Alles Beschädigte hatte dort nichts mehr zu suchen.
    Eine Veränderung in den Bewegungen des Schiffes riss sie aus ihren Gedanken. Das Rollen war in träges Dümpeln übergegangen. Oben riefen sich die Matrosen etwas zu, dann vernahm Pirra ein lautes Knirschen. Wahrscheinlich wurden die Ruder eingeholt. Jemand schob die Planken über ihrem Kopf zur Seite, und sie atmete die salzige Luft in tiefen Zügen ein. Dann beugte sich Userref herunter, um sie an Deck zu heben.
    Sonnenlicht blendete sie. Sie hörte die Brandung am Strand auflaufen und Krähen krächzen.
    »Si-sind wir in Lykonien?«, stieß sie hervor.
    Userrefs Griff um ihre Hand schloss sich fester. »Sei tapfer, Pirra«, sagte er. »Das ist deine neue Heimat.«

D ie Krähe in dem Dornenbaum hatte auffallend helle Augen und starrte Hylas unfreundlich an.
    »Hau ab!«, keuchte er.
    Der Vogel krächzte spöttisch. Als Hylas sich den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, war die Krähe bereits in weiter Ferne. So eine Strecke zurückzulegen, würde Hylas einen ganzen Tagesmarsch kosten. Die Küste war dicht mit stacheligem Ginster und Mastixsträuchern bewachsen, die derart durchdringend nach Teer rochen, dass ihm die Augen tränten. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel und sein Trinkschlauch war schon lange leer. Der Anblick des Meeres quälte ihn. So viel Wasser, und doch gab es keinen Tropfen zu trinken.
    Am meisten ärgerte Hylas sich über seine eigene Unachtsamkeit. Wie hatte er nur das Floß verlieren können! Er hatte es für einen kurzen Augenblick am Ufer zurückgelassen, um sich an der Küste umzusehen, aber als er zurückkehrte, hatte das Meer es bereits an sich gerissen und außer Reichweite getragen. Seither war ihm nichts übrig geblieben, als sich mühsam über die Felsen am Ufer vorwärtszuarbeiten.
    Wir suchen uns ein Boot, rudern die Küste entlang und gehen an der Seite der Berge an Land. Von dort aus fahren wir weiter nach Westen, hatte Telamon gesagt.
    Ein Boot suchen? Wo denn? Bis auf einige Schäferhütten an den Hügeln gab es keine Spur von Menschen. Inzwischen war Issi bereits seit drei Tagen allein in den Bergen unterwegs.
    Wieder krächzte die mittlerweile zurückgekehrte Krähe spöttisch. Gereizt schleuderte Hylas einen Stein nach dem Tier, das sich in die Lüfte schwang und so zielbewusst davonflog, als müsse es eine

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