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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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der Geschmack war so widerlich gewesen, dass er alles ausgespuckt hatte.
    Der Bronzedolch war immer noch an seinem Schenkel festgebunden, Fische waren bisher jedoch ausgeblieben. Lediglich höchst seltsame, durchsichtige Lebewesen schwebten wie pulsierende Schleier im Wasser. Als er eines davon fing, stach es ihn schlimmer als Brennnesseln und er schleuderte es ins Meer zurück.
    Schließlich kam ihm ein Einfall. Mühsam löste er den festgebundenen Dolch und schnitt damit einen breiten Streifen vom Saum seiner Tunika ab. Er tauchte den Stoff ins Meer und wickelte ihn um seinen Kopf. Das nasse Tuch kühlte wunderbar, und er bespritzte sich mit Wasser, bis sein Gewand durchnässt war. Warum hatte er daran nicht schon früher gedacht?
    Der Bronzedolch schimmerte in der Sonne. Erst jetzt bemerkte er das eingeritzte Zeichen im Griff: ein viergeteilter Kreis. Hylas fragte sich, was das bedeuten mochte.
    Die Klinge spiegelte sein mageres, entschlossenes Gesicht wider. Die Waffe in seiner Hand verlieh ihm neuen Mut. Er konnte sich durchaus noch besser vor der Sonne schützen – und der Dolch würde ihm dabei helfen.
    Er säbelte einen zweiten Streifen von seiner Tunika, schnitt zwei Schlitze hinein und verband sich damit die Augen. Das grelle Sonnenlicht war sofort erträglicher.
    Dann befestigte er den Dolch mit der Weidenschnur am schmalen Ende eines Ruders. Na bitte: ein ausgezeichneter, widerstandsfähiger Speer, wenn auch deutlich schwerer als eine richtige Waffe. Als er ihn anhob, funkelte die Klinge im Sonnenlicht und vor Stolz schwoll ihm die Brust.
    Er war nicht allein, jedenfalls nicht, solange er den Dolch besaß.
    Doch bis zum Mittag war weit und breit kein Fisch zu sehen, sodass sein Speer nutzlos blieb. Schwarze Flecken tanzten vor Hylas’ Augen. Er hatte Schmerzen vor Hunger.
    Niemals hätte er sich träumen lassen, das Meer könne so weit und fremdartig sein. Die unendliche Wasserfläche bot weder Schutz, noch zeichneten sich Spuren darauf ab. Hylas starrte auf den rötlichen Staub unter seinen Nägeln, die letzte Spur der Berge. Er fühlte sich plötzlich mutlos. Scram war tot. Telamon und Issi waren weit weg, und er selbst war verloren, ganz allein mitten auf dem Meer.
    Über Bord gelehnt, spähte er in die Tiefe. An der Küste war das Wasser leuchtend blau, hier sah es beinahe schwarz aus. Er konnte nicht bis auf den Meeresboden sehen. Ob es dort unten überhaupt einen Grund gab?
    Tief unten im Dunkeln huschte etwas vorüber.
    Hylas umklammerte ängstlich die Bordkante. Er wusste, dass das Meer voller Schrecken war. Parias Schauergeschichten fielen ihm ein, die von vielarmigen Ungeheuern erzählten, die Schiffe packten und mit sich in die Tiefe zogen, oder von riesenhaften, menschenfressenden Fischen mit messerscharfen Zähnen …
    Ihm wurde plötzlich bewusst, wie er von unten aussehen musste, zusammengekauert in seiner winzigen Holzschale wie Beute, die nur darauf wartete, gefressen zu werden.
    Hinter ihm ertönte ein lautes Platschen. Er wirbelte herum.
    Das Meer lag ruhig da, lediglich eine Schaumspur schaukelte sanft auf den Wellen.
    Erneut war ein Platschen zu hören, diesmal aus der entgegengesetzten Richtung.
    Dann sah er es: ein Fisch, der zur Gänze aus dem Wasser sprang. Zumindest sah es wie ein Fisch aus, bis auf die Flügel.
    Mit aufgesperrtem Mund beobachtete Hylas, wie das Tier durch die Luft schnellte, wieder eintauchte, mit dem Schwanz ausschlug, erneut in einem Bogen übers Wasser flog und dabei seine sonderbaren, dünnen Flügel abspreizte.
    Dort gibt es fliegende Fische … Die Stimme des Keftiu in seinem Kopf erinnerte ihn an etwas. Woran nur? Er hatte das unangenehme Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.
    Ihm blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn plötzlich waren überall fliegende Fische und durchpflügten die Wellen. Im Nu verwandelte sich das Wasser in brodelnden weißen Schaum.
    Hylas packte den Speer mit beiden Händen, holte aus, verfehlte das Ziel und wäre um ein Haar über Bord gestürzt. Dann entdeckte er eine vertraute Gestalt, allerdings war es kein Fisch, sondern eine Schildkröte, die gemächlich im Schatten seines Bootes schwamm. Er stach zu und traf. Der Dolch fuhr in den weichen Bauch, Hylas beugte sich weit vor, um ihn noch tiefer hineinzubohren …
    … und stürzte ins Wasser.
    Das kalte grüne Meer brauste in seinen Ohren und umschäumte ihn mit einem dichten Netz aus Blasen, bis er die Orientierung verlor. Halt den Speer fest, du darfst ihn nicht

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