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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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der anderen Seite des Bootes reglos unter der Wasseroberfläche.
    Für einen entsetzlichen Augenblick konnte Hylas den Feind deutlich sehen. Die spitze Rückenflosse, das grausame Maul, unheimliche, schwarze Augen.
    Paria hatte ihm einmal erzählt, dass es zwei Arten großer Fische im Meer gab: Delfine und Haie. Falls du einem von ihnen begegnest, hatte sie gesagt, bete, dass es ein Delfin ist. Delfine sind heilig und fressen keine Menschen. Haie schon. Als Hylas gefragt hatte, wie man die beiden auseinanderhalten konnte, hatte Paria gekichert. Haie lächeln niemals und ihre Haut ist rau wie Granit. Aber wenn du einem Hai nahe genug kommst, um das festzustellen, ist es bereits zu spät. Hylas brauchte die steinerne Haut nicht zu berühren, um zu wissen, wen er vor sich hatte. Kein Jäger in den Bergen, weder Löwe noch Bär oder Wolf, hatte einen derartig starren, durchdringenden Blick. Diese Augen glichen lichtlosen Löchern, die sich ins Chaos öffneten: jene tiefe Leere, vor der selbst Götter zurückschreckten.
    Mit einem verächtlich lässigen Schlag der Schwanzflosse glitt der Hai unter das Boot.
    Hylas wartete.
    Der Hai war verschwunden. Er konnte überall stecken.
    In der plötzlich eingetretenen Windstille brannte die Sonne drückend heiß. Der bleierne, gelbliche Himmel verfinsterte sich am Horizont.
    Etwas stieß gegen das Boot, gerade fest genug, damit es ins Schwanken geriet. Hylas veränderte die Position seiner feuchtkalten Hände am Speer.
    Träge schlug der Hai mit der Schwanzflosse und schwamm davon. Hylas sah genau, wie seine Kiemen sich bewegten und die graue Rückenflosse die Wellen durchstieß.
    Dann wendete das Tier blitzschnell und schoss auf das Boot zu.
    Fest gegen die Planken gestemmt hob Hylas angriffsbereit den Speer.
    Der Hai hatte ihn beinahe erreicht. Hylas holte aus und bohrte ihm den Speer in den Kopf. Der Hai zuckte zurück und hätte Hylas die Waffe beinahe aus der Hand gerissen. Hylas löste den Speer mit einem kräftigen Ruck, wodurch er um ein Haar wieder ins Wasser gestürzt wäre, aber diesmal flog nur der Schildkrötenpanzer in hohem Bogen über Bord. Die Bestie schwamm unter das Boot, packte den Panzer mit den Zähnen und zermalmte ihn wie ein Stück Baumrinde. Dann tauchte der Hai in die Tiefe und nur ein paar auf dem Schaum treibende Splitter blieben zurück.
    Hylas ließ erschöpft den Speer sinken. Er spürte noch die gewaltige Kraft des Tieres, als es sich am Ende des Speers gewunden hatte. Im Wasser war jedoch keine Blutspur zu erkennen. Offenbar war der Hai unverletzt. Kein Messer, nicht einmal sein Bronzedolch, vermochte diese Bestie zu töten.
    Der Hai würde zurückkommen, so viel war sicher.

    Auch als die Sonne bereits unterging, umkreiste der Hai immer noch das Boot.
    Da entdeckte Hylas in südlicher Richtung etwas, das ihm wieder Hoffnung gab: ein zerklüfteter schwarzer Umriss, der ins Meer ragte. Er schirmte die Augen mit der Hand ab. Das war kein Schiff, sondern Land.
    Hoffnungsvoll ruderte er unbeholfen darauf zu, denn der Dolch war noch am Ruder befestigt. Aus dem Augenwinkel sah er, dass ihm die graue Rückenflosse folgte. An Schnelligkeit war er dem Hai unterlegen, aber wenn er es bis an Land schaffte …
    Der Wind war aufgefrischt und schob das Boot vor sich her. Das Meer half ihm.
    Der Hai blieb sein steter Begleiter, der manchmal zurückfiel und sich dann wieder näherte. Er griff jedoch nicht an, beinahe so, überlegte Hylas beunruhigt, als wartete er auf etwas.
    Die Dünung nahm zu, die Wellenkämme schäumten weiß auf. Das Boot schaukelte kräftig hin und her, und bald schlugen die Wellen über die Seiten. Hylas blieb nichts anderes übrig, als Wasser zu schöpfen und dafür die Ruder abzulegen.
    Mit einem Mal begriff er entsetzt, worauf der Hai lauerte. Im Norden hatte sich der Himmel schwarz verfärbt, ein Unwetter zog herauf. Der Hai brauchte nur zu warten, bis dieser Sturm losbrach, dem sein kleines Boot nicht gewachsen war. Über kurz oder lang würde der Sturm ihn, die Beute, direkt vor die Nase des Hais befördern.
    Der Wind wehte zusehends kräftiger, zerrte mit unsichtbaren Klauen an seiner Tunika und peitschte ihm das Haar ins Gesicht. Das Boot bäumte sich auf wie ein scheuendes Pferd, Hylas hatte alle Mühe, an Bord zu bleiben und dabei die beiden Ruder festzuhalten.
    Ihm schoss durch den Kopf, dass beides zugleich unmöglich war. Er musste unbedingt den Dolch vom Ruder lösen, sonst ging er mit Sicherheit verloren. Wenn er die Waffe

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