Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
Wasserfontäne wieder ins Meer ein.
Trotzdem würde ihn der Hai zuerst erreichen. Hylas umklammerte die Planke mit der freien Hand und schwang den Dolch. Er stach zu, doch die Klinge rutschte an der Flanke seines Angreifers ab. Der Hai tauchte unter, kam erneut nach oben und griff an.
In diesem Augenblick war es, als explodierte das Meer. Ein mächtiger Fisch durchbrach in einem blauen Feuerregen die Wellen – aber es war kein Fisch, sondern ein Delfin. Hylas erkannte den großen, glänzenden Körper und das rätselhafte Lächeln, als das Tier wieder ins Meer eintauchte, erneut hochschnellte und in einem Sprung über den Kopf des Jungen hinwegsetzte, so dicht, dass Hylas den bleichen, glatten Bauch und eine Reihe feiner, weißer Narben auf der Nase des Delfins erkennen konnte.
Für einen Augenblick kreuzten sich ihre Blicke, und der Geist des Delfins rief ihn an, bevor er im leuchtend hellen Wasser verschwand. Kurz darauf tauchte das Tier erneut auf, nahm mit verblüffender Geschicklichkeit die Locke mit der Flosse auf und warf sie dem folgenden Delfin zu. Dieser fing die Strähne im Maul und tauchte damit ab, während sein Artgenosse – der große Delfin mit den Narben – den Leib des Hais rammte und ihm einen kraftvollen Stoß versetzte. Der Hai drehte sich herum und biss zu, der Delfin war jedoch schneller, und der Kiefer des Jägers schnappte ins Leere.
Inzwischen war ein ganzer Delfinschwarm herangeschwommen. Er umzirkelte den Hai und die Tiere bearbeiteten ihn von allen Seiten mit ihren spitzen Schnauzen. Hylas schrie triumphierend auf. Schließlich gelang es dem Hai, die Abschirmung zu durchbrechen und zu fliehen, dicht verfolgt von einigen Delfinen, die mit glitzernden, aufzuckenden Schwanzflossen allmählich in der Dunkelheit verschwanden.
Ein großer Teil des Schwarms war bei Hylas zurückgeblieben. Das Meer brodelte glühend blau, während die Delfine sich in die Luft schraubten und mit den Schwanzflossen die Wellen peitschten. Sie riefen sich gegenseitig mit einem unirdischen, seltsam hohen Pfeifen und wenn sie atmeten, war ein leises Pfft zu vernehmen. Auf ihrem Kopf öffnete sich mitunter ein kleines Loch, aus dem eine funkelnde Fontäne aufstieg, und Hylas blickte verwundert in ihre weisen, alten Augen.
Seine Angst und Verzweiflung waren wie weggeblasen. Atemlos beobachtete er, wie sie unter der Planke entlangjagten, dichte Wolken aus Luftbläschen hinter sich herzogen, plötzlich die Wasseroberfläche durchstießen und ihn mit kaltem blauen Feuer tränkten.
Du musst das Meervolk bitten, meinen Geist zu holen, hatte der Keftiu gesagt. Du wirst sie gleich erkennen, wenn sie zusammen über die Wellen springen. Sie sind stark und schön.
Der Hai war verschwunden und das Meervolk war gekommen.
I m Laufe der Nacht erlosch das Feuer des Meeres und die schimmernden blauen Körper der Delfine, die Hylas unermüdlich umkreisten, glänzten nun silbern. Ihre Augen spiegelten den Mondschein wider wie die eines Wolfs. Obwohl sie dicht an ihn heranschwammen, wagte er es nicht, die Hand auszustrecken und sie zu berühren.
Die Tiere erschienen ihm wie Geschöpfe aus einer andern Welt. Sie bewegten sich im Einklang, drehten und wendeten sich wie ein einziger Körper. Meist gaben sie keinen Laut von sich, nur gelegentlich durchdrangen ihre fremdartig klingenden Schreie die stille Nacht. Obwohl sie stets in Reichweite blieben, achteten sie nicht auf ihn, sondern waren ganz mit sich und ihren unergründlichen Absichten beschäftigt.
Die Delfine hatten ihn vor dem Hai gerettet. Warum nur? Sie waren Geschöpfe der Herrin der Wildnis. Wie alle Unsterblichen vermochte auch diese Göttin zu erschaffen und zu vernichten. Warum hatte Sie sein Leben verschont?
Der Kreis der Delfine hatte sich erweitert und sie fingen an, miteinander zu spielen. Der Delfin mit der vernarbten Nase war zurückgekehrt. Bedeutete das, der Hai war tot? Der zurückgekehrte Delfin schwamm häufig neben einem kleineren, dunkelgrauen Tier, das Kampfspuren an der Flanke trug und eine zerbissene Schwanzflosse hatte. Dieser Delfin wirkte älter und war wohl ein Weibchen. Ein anderer junger Delfin hielt sich immer in ihrer Nähe. Seine Nase war rundlicher als die der ausgewachsenen Tiere, und das Atmen bereitete ihm noch Schwierigkeiten. Aus dem Blasloch des Kleinen stieg keine Fontäne auf, aber es blubberte hin und wieder. Wenn die Mutter auftauchte, musste er sich anstrengen, um bei ihren hohen Sprüngen mitzuhalten.
Der Delfin mit der
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