Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
den Knoten. Sie waren wie aus Stein und ließen sich nicht aufknüpfen.
    »Hast du den Dolch?«, keuchte er. »Schnell, du musst die Fesseln durchschneiden.«
    Aber die Lederschnüre saßen zu straff.
    »Beeil dich, sie sind über uns!«
    Pirra blickte nach oben und war plötzlich vor Entsetzen wie gelähmt.
    Ein dunkler Umriss kreiste über ihnen und ließ sich auf den Zypressen am Eingang der Schlucht nieder. Krallen kratzten und ledrige Flügel flatterten.
    Pirra bearbeitete erneut das Lederseil, aber ihre Hände zitterten so heftig, dass der Dolch zu Boden fiel.
    »Er hat mir sein Zeichen aufgemalt«, zischte Hylas. »Das spüren sie. Kannst du es abwischen? Ich schaffe es nicht.«
    »Wo?«
    »Auf der Stirn und der Brust. Er hat mir auch eine Haarsträhne um den Hals gebunden.«
    Hektisch ertastete sie sein Gesicht und rieb die Kohle zuerst dort und dann auf seiner Brust weg. Die Haarsträhne um sein Genick ließ sich weder aufbinden noch durchschneiden. Pirra hätte nie gedacht, dass es so festes Haar gab. Schließlich gelang es ihr doch, und sie warf die Strähne hastig beiseite. Als sie erneut das Seil in Angriff nahm, fielen ihr die Kreuzdornblätter in ihrem Gürtel ein, und sie hielt inne.
    »Warum machst du nicht weiter?«, zischte Hylas.
    »Ich habe Kreuzdorn …«
    »Das ist wirkungslos, dafür sind sie zu nahe!«
    Die Schattengestalt schwang sich von der Zypresse herab und landete mit einem unheimlichen, dumpfen Geräusch auf dem Boden.
    Die beiden erstarrten.
    Nach einem weiteren Versuch, das Lederseil zu durchschneiden, gab Pirra auf. »Das dauert viel zu lang!«, murmelte sie.
    »Nimm einen Stein«, flüsterte Hylas, »male mit Holzkohle sein Zeichen darauf und binde die Strähne darum.«
    »Du willst sie mit einem Lockvogel täuschen?«
    »Das musst du zuerst machen, später befreist du mich.«
    Sie wollte protestieren, aber er ließ sie nicht ausreden.
    »Pirra, ohne den Lockvogel spielt es keine Rolle, wie schnell wir nachher davonrennen.«
    Sie nahm einen Stein und brach einen Pappelzweig ab. »Wie hat sein Zeichen ausgesehen?«
    »Ich konnte es im Dunkeln nicht erkennen.«
    Sie überlegte fieberhaft. »Weißt du, wie er heißt?«
    »Akastos.«
    »Wie haben sich die Zeichen angefühlt?«
    Der Schatten am Eingang der Schlucht schwankte, und Pirra hörte ein beängstigendes Schnaufen. Wieder drohte sie blankes Entsetzen zu überwältigen.
    »Wie ein nach unten gerichteter Dolch … mit Strichen an den Enden des Griffs, glaube ich.«
    »Ich weiß, das ist der erste Laut seines Namens.« Blindlings kritzelte sie etwas auf den Stein. Hoffentlich war es das richtige Zeichen. Sie tastete nach der Strähne, die sie vorhin weggeworfen hatte. Weg. Einfach verschwunden. Panik stieg in ihr auf.
    Da. Da war sie. Mit zitternden Händen band sie die Strähne um den Stein.
    »Beeil dich!«, drängte Hylas. »Wenn sie uns entdecken, sind wir verloren.«
    Das Schnaufen hatte aufgehört, der dunkle Schatten hatte sie gewittert.
    Wie auf ein Zeichen hin senkte sich ein zweiter Schemen in die Schlucht, wirbelte einen übel riechenden Windstoß auf, als er sich auf der Zypresse niederließ. Ein weiterer folgte.
    Endlich hatte Pirra das Haar befestigt, und sie schleuderte den Stein so weit wie möglich zur Mündung der Schlucht hinüber.
    »Schneid mich los!«, keuchte Hylas.
    Der Schatten am Boden verharrte, schwenkte herum und stürzte flatternd davon, dem Stein hinterher.
    Mit fliegenden Händen hackte Pirra auf die Lederschnüre ein.
    »Du musst sägen, als wäre es Holz!«
    Obwohl Pirra noch nie Holz gesägt hatte, erfasste sie sofort, was Hylas meinte. Er wand sich hin und her und spannte die Muskeln an, bis die Schnüre schließlich zerrissen.
    Hylas war mit einem Satz auf den Füßen, ergriff den Dolch mit der einen und Pirras Gelenk mit der anderen Hand, dann rannten sie auf dem einzigen Weg davon, der ihnen blieb: vorwärts, in die Schlucht, hinein ins Unbekannte.
    Im Davonstürmen warf Pirra einen Blick zurück. Die geflügelten Schatten, die sich über den Stein warfen, würden sie für immer in ihren Albträumen heimsuchen.

    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Pirra leise.
    Hylas nickte.
    »So siehst du aber nicht aus.«
    »Danke.«
    »Ich wollte damit bloß sagen …«
    »Nein, ich wollte mich wirklich bei dir bedanken. Du hast mich gerettet.«
    »Ach so.« Sie grub die Ferse in die Asche. »Na ja, ohne deine Hilfe würde ich nicht lange überleben.«
    Hylas umklammerte schlotternd seine Knie. Ob
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher