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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Zerquetschen der Blätter gemurmelt hatte, nicht gehört haben.
    Pirra wusste nicht mehr, seit wann sie diesen Spruch kannte. Aber er wurde seit über tausend Jahren in den Tempeln von Keftiu und sogar in Ägypten geflüstert. Userref hatte ihr das erzählt. Verängstigte Menschen hatten den Spruch gemurmelt, lange bevor der Tempel der Göttin oder die Steinkegel in den ägyptischen Wüsten erbaut worden waren. Es gab ihn schon, bevor die wilden Stämme, die in Höhlen hausten, von den Göttern erfuhren, wie sie das Land bestellen mussten.
    Dieser Spruch war der älteste Zauberspruch der Welt.
    Er bannte die Erzürnten.

S chatten krochen unter den Bäumen hervor, und die Furcht schnürte Hylas allmählich die Kehle zu. Der Fremde neben ihm blickte ein ums andere Mal unruhig zu den verbrannten Bäumen hinüber und sog schnüffelnd die Luft ein, wie ein Tier, das Gefahr wittert. »Warum hast du diesen Weg gewählt, Floh?«, knurrte er.
    »Das ist der Weg zu deinem Schiff«, log Hylas.
    »Ich hoffe es für dich.«
    Der Fremde hielt den brennenden Ast hoch, den er als Fackel mitgenommen hatte, als wolle er damit die Nacht abwehren. Gelegentlich kaute er ein Kreuzdornblatt aus seinem Beutel oder murmelte einen Zauberspruch. Inzwischen hatte Hylas längst erraten, warum der Fremde weder Amulett noch Siegelstein trug. Er wollte sich seinen Jägern nicht preisgeben: den Erzürnten.
    Der bedeckte Himmel war rot gefärbt, und das Tal schien den Atem anzuhalten. Bis zur Geisterschlucht war es nicht mehr weit. Hylas stellte sich vor, wie etwas Dunkles unter den schwarzen Zypressen entlangglitt, und lauschte mit gespitzten Ohren nach rauschenden Flügeln. In Gegenwart dieses Mannes befand er sich in Todesgefahr.
    Sie erreichten die Quelle in der Dämmerung. Durstige Tiere hatten die Stelle in eine schlammige Mulde verwandelt. Umschwirrt von Mückenschwärmen lag sie verlassen da.
    Hylas wunderte sich. Warum waren hier trotz der vielen Mücken keine Fledermäuse?, dachte er.
    »Wir rasten nur kurz«, murmelte der Fremde. »Wir müssen weiter, bevor es dunkel wird.«
    Er fesselte Hylas an einen Baumstumpf und lehnte die Fackel gegen einen Felsen. Dann trank er aus seinem Trinkschlauch, füllte ihn erneut und bespritzte die Verletzung an seinem Oberschenkel. Zu Hylas’ Überraschung reichte der Fremde auch ihm den Trinkschlauch, damit er seinen Durst löschte.
    Der Mann wirkte abwesend und hörte seinen Dank nicht. Da die Fackel beinahe heruntergebrannt war, suchte er bereits nach einem neuen Ast.
    Hylas wurde nicht schlau aus seinem Begleiter. Er war rücksichtslos und beängstigend und hatte bestimmt etwas Schlimmes getan, wenn die Erzürnten ihn verfolgten. Andererseits hatte er sich durchaus freundlich verhalten. Hylas empfand sogar eine gewisse Zuneigung zu ihm. In dem muskulösen Körper schienen zwei Männer zugleich zu wohnen: der eine wollte ihm kein Leid zufügen, der andere würde vor nichts zurückscheuen, um selbst zu überleben.
    Ein Windstoß wirbelte Ascheflocken auf. Schnell wie eine Eidechse ergriff der Fremde die Fackel, drehte sich um und spähte ins Dunkel. Sein Gesicht war verzerrt, die Zähne blitzten hinter seinem Bart.
    Als der Wind jäh abflaute, ließ er die Fackel sinken. Er war schweißüberströmt und bemerkte, dass Hylas ihn anstarrte. »Furcht ist etwas Seltsames«, sagte er. »Wenn du lange genug mit ihr lebst, wird sie zu deinem Gefährten. Aber das weißt du selbst am besten, Floh, oder? Inzwischen hast du wahrscheinlich ebenfalls herausgefunden, was mit diesem Tal nicht stimmt.«
    Hylas nickte. »Warum verfolgen sie dich?«
    Der Fremde sah ihn an. »Du bist zu jung, um das zu verstehen. Du bist noch ein Kind und solltest zuhause sein und Ziegen hüten.«
    »Die Krähen haben sie getötet. Und meinen Hund auch.«
    Der Fremde runzelte die Stirn. Dann fragte er unerwartet, wo das Messer geblieben sei. Als Hylas verblüfft schwieg, sagte er: »Die Scheide an deinem Gürtel ist leer. Wo ist das Messer?«
    »I-ich hab’s verloren.«
    Der Fremde dachte einen Augenblick nach. »Weißt du, warum die Krähen dieses Tal in Brand gesteckt haben?«, fragte er schließlich.
    Hylas schüttelte den Kopf. Worauf wollte der Mann hinaus?
    »Überleg mal, Floh. Die Menschen bringen Opfer, weil sie etwas Bestimmtes haben möchten. Die Krähen müssen ganz versessen auf etwas gewesen sein, wenn sie deswegen ein ganzes Tal abbrennen.« Er entzündete bedächtig eine neue Fackel an der alten und ließ sich neben dem

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