Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
kann ich eine Gefahr für euch sein?«, brüllte Hylas. »Ganz zu schweigen von meinem Hund oder meiner Schwester!«
»Telamon«, befahl Kratos. »Den Speer!«
»Ich kann nicht«, rief Telamon mit bittendem Unterton. »Das lasse ich nicht zu.«
Kratos beachtete ihn nicht mehr. Er trug das Schwert an der Hüfte und den Dolch von Koronos in der Faust.
Die Planken knarrten, als er das Wrack betrat, und seine Bronzerüstung blitzte in der Sonne. Er war unbesiegbar.
Hylas ergriff eine besonders spitze Scherbe in seiner Reichweite und schleuderte sie dann beiseite. Sie würde ihm nichts nutzen. Der kampferfahrene Kratos war dreimal so massig wie er, im Nahkampf hatte er nicht die geringste Chance gegen ihn.
Während er sich hastig nach einem Versteck umsah, fragte er sich, ob das Davonlaufen, Verstecken und sein verbissener Überlebenskampf wirklich hier und jetzt enden sollten?
Kratos kam näher, seine Rüstung klirrte vernehmlich. Es roch beißend nach Asche. In der Morgensonne wirkte das Gesicht des Kriegers wie in Bronze gegossen. Seine dunklen Augen leuchteten. Das Töten bereitete ihm sichtlich Vergnügen. Er hatte es genossen, Scram zu töten und Issi zu verfolgen. Hylas wusste nicht, was Kratos Pirra angetan hatte, aber in einem war er sich sicher: Er hatte es genossen.
»Wo ist sie?«, stieß Hylas hervor, ohne zu wissen, ob er damit Pirra oder Issi meinte. Er musste schreien, irgendetwas tun, statt nur dazustehen und sich in sein Schicksal zu ergeben. »Was hast du mit ihr gemacht?«
Pirra rappelte sich auf und sank stöhnend zurück. Vor ihren Augen drehte sich alles, ihr war speiübel.
Niemals hätte sie gedacht, dass ein Hüne sich so schnell zu bewegen vermochte. Wie eine Gestalt aus einem Albtraum war er den Hügel heraufgestürmt, und wie in einem Albtraum war sie in ihren Sandalen ausgerutscht und die Tunika hatte sich in den Zweigen verfangen. Sie hatte seinen eisernen Griff an der Schulter gespürt, laut aufgeschrien und ihren Angreifer in die Hand gebissen. Brüllend vor Zorn hatte er sie mit einem Stoß weggeschleudert. Dann war alles still gewesen. Vermutlich hatte er sie für tot gehalten, denn als sie zu sich kam, war er verschwunden und mit ihm der Dolch.
Nach einem letzten Würgeanfall wischte sie sich mit der Hand über den Mund. Ihre Wange brannte und die Schulter schmerzte. Der schale Aschegeruch des verschwitzten Kriegers haftete noch in ihrer Nase, ihr Mund schmeckte nach Blut.
Sie zog sich an einem Schössling auf die Beine und folgte seiner Spur.
Zwischen den Bäumen war das Fährtenlesen besonders schwierig, sodass sie es bald aufgab. Solange das Meer sich zu ihrer Linken befand, würde sie das Wrack so oder so finden.
Beeil dich doch , schalt sie sich, während sie den Hang entlangstolperte. Am Strand wäre sie zwar schneller vorangekommen, aber dann hätte die Gefahr bestanden, dass Kratos sie entdeckte.
Unversehens wichen die Bäume zurück, und sie gelangte auf einen windumtosten Kamm. Von hier oben sah sie, was unten auf dem Wrack geschah.
Sie erkannte sofort, dass nicht ein, sondern zwei Wracks vor der Küste lagen. Das Schiff, das sie und Hylas entdeckt hatten, lag nördlich von hier, während das andere in südlicher Richtung und direkt unterhalb des Kammes lag. Sie entdeckte außerdem eine türkisfarbene, schmale Bucht, deren Eingang zum Meer hin von heruntergefallenen Felsbrocken versperrt war. In der Bucht glitzerten große, silberfarbene Körper.
Sie wusste augenblicklich, dass sie Filos’ Schwarm gefunden hatte. Die Delfine waren bestimmt dort hingeschwommen, um sich am Sandstrand die Bäuche zu scheuern. Das Erdbeben hatte sie eingeschlossen, und es erging ihnen wahrscheinlich ähnlich wie Pirra in ihrer ersten Nacht auf der Insel. Seit dem Beben waren die Tiere in der Bucht gefangen.
Dann erblickte sie Hylas.
Er stand auf dem Wrack, den Rücken zum Meer gewandt. Kratos ging auf ihn zu. Telamon stand unten am Strand, am Fuße der Felsen, und hatte den Speer erhoben, um seinem Freund den Fluchtweg abzuschneiden. Für Hylas gab es kein Entkommen. Er war seinem Angreifer ausgeliefert, und Kratos rückte langsam näher.
Mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte sich Pirra durch das Dornengebüsch den Abhang hinunter.
Im Nu hatte sie sich im Dickicht verirrt und verlor kostbare Zeit mit der Suche nach einem Pfad. Als sie sich endlich einen Weg gebahnt hatte, stellte sie entsetzt fest, dass sie sich nicht mehr auf der Landzunge, sondern am Strand
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