Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
so verdammt idiotisch! Ich bin nicht verrückt! Du und Harley seid nicht verrückt!«
Ich sage nichts, weil ich ihr halbwegs glaube. Sie hält mein Schweigen allerdings für Widerspruch.
»Wieso glauben du und alle anderen auf diesem blöden Schiff, dass Dinge wie Menschen zu willenlosen Maschinen zu machen, normal ist. Was hat euch verdammt noch mal auf die Idee gebracht, dass das normal ist?«
Ich zucke mit den Schultern. So war das schon immer. Wie kann ich diesem Mädchen, das unter mangelnder Führung im Chaos aufgewachsen ist, erklären, dass eine normale Gesellschaft genau so funktioniert, eine friedliche Gesellschaft, die nicht nur gerade eben überlebt wie ihre, sondern eine, die auf ihrer Reise durchs All zu ihrem neuen Planeten blüht und gedeiht?
Amy marschiert zum Schreibtisch und nimmt den Floppy in die Hand. »Wie funktioniert das blöde Ding?«, fragt sie gereizt und fummelt daran herum. »Das ist ein Computer, richtig? Sind da keine Informationen über die Erde drauf? Dann kann ich dir zeigen, was echte Menschen, normale Menschen sind! Ich kann dir zeigen, wie verrückt hier alles ist!«
Sie ist mit dem Finger über den Bildschirm gefahren und hat die Dra-Kom-Ortungskarte aufgerufen, die ich ihr gezeigt habe, aber sie weiß nicht, wie sie an die anderen Informationen kommt. Sie tippt auf den Schirm, erst vorsichtig, dann energisch, und schließlich schlägt sie mit der geballten Faust auf den Tisch. Ich gehe zu ihr und nehme ihr sanft den Floppy aus der Hand. Sie hat Tränen in den Augen.
»Ich kann nicht mehr«, flüstert sie. »Ich kann diese Menschen nicht leiden. Ich hasse diese ›Welt‹. Ich kann hier nicht leben. Ich kann nicht den Rest meines Lebens hier verbringen. Ich kann es einfach nicht!«
Also hat sie doch mitbekommen, was der Älteste auf dem Regentendeck verkündet hat. Sie weiß, wie gefangen sie – und wir alle – auf diesem Schiff sind.
Ich will sie in die Arme nehmen und festhalten. Aber ich weiß auch, dass das genau das ist, was sie nicht will. Sie will frei sein – und ich würde sie am liebsten eng an mich drücken.
»Ich glaube, ich weiß etwas, das hilft«, sage ich.
57
Amy
Auf dem Pfad, der vom Krankenhaus wegführt, gibt sich Junior sehr geheimnisvoll. Er verrät mir nichts, und ich schätze, das ist es, was meine Laune aufhellt – er ist wie ein kleiner Junge, der seiner Freundin ein neues Spielzeug zeigen will. Das allein reicht schon, um mich dieses komische Gefühl vergessen zu lassen, das mich den ganzen Tag gequält hat.
Auf der Bank am Teich sitzt ein Pärchen, das uns zuwinkt. Das Gesicht der Frau strahlt und sie lehnt mit einem Ausdruck absoluter Verzückung an der Brust des Mannes. Ihre rechte Hand liegt auf ihrem Bauch und der Mann hat seinen Arm um ihre Schultern gelegt.
Die Frau senkt den Kopf, und mir wird klar, dass sie nicht mit dem Mann spricht, sondern mit ihrem ungeborenen Baby. »Und die Sterne hatten Schweife aus Licht, die auf uns herabgeleuchtet haben – und auf dich.«
»Der Älteste hat mir gesagt, dass die Sterne nicht für mich wären«, murmelt Junior, nachdem das Plaudern des Paars hinter uns verklungen ist.
Ich sehe Junior verwirrt an.
»Die Sternenkarte im Großen Raum. Der Älteste hat gesagt, dass sie nicht für mich wäre, als ich herausfand, dass es keine Sterne sind, sondern nur Lampen.« Er wendet den Blick von mir ab und fügt leise hinzu: »Das war der Tag, an dem du aufgewacht bist.« Seine Worte hängen zwischen uns in der Luft.
Junior deutet auf das glückliche Paar hinter uns. »Der Älteste hat gesagt, die falschen Sterne wären für sie.«
»Ach so.« Es ist typisch, dass der Älteste sogar die Sterne kontrollieren will. Er hat sie benutzt, um die Leute auf dem Schiff so zu manipulieren, dass sie es hinnehmen, nicht mehr am Leben zu sein, wenn der Planet erreicht wird. Aber dafür durften sie zumindest einen kurzen Blick auf die Sterne werfen, von denen sie ihren Kindern erzählen können. Ich sehe mich noch einmal zu der Frau auf der Bank um, die ihre Hände sanft auf dem Bauch liegen hat und ihrem ungeborenen Kind etwas von den Sternen zuflüstert und ihm ein Leben unter dem Himmel verspricht.
»Das ist grausam«, sage ich. »Sie mit der Außenwelt zu locken und sie ihnen dann wieder wegzunehmen.«
Junior schüttelt den Kopf. »So ist das nicht. Es hat ihnen eine Geschichte gegeben, die sie ihren Kindern erzählen können. Es ist unsere Art, Hoffnung weiterzugeben.«
Ich sehe Junior verblüfft
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