Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
an. »Dann bist du derselben Meinung wie der Älteste?«
»Irgendwie schon.«
Der Älteste ist mit einem verwöhnten Kind zu vergleichen, das mit seinen Spielsachen herumwirft. Er wartet ständig auf eine Ausrede, uns zu brechen, wartet auf ein Zeichen, dass wir sein Spiel nicht mitmachen wollen. Und er beobachtet uns unentwegt mit Augen, die mich an Luthe erinnern. Er hilft den Leuten nicht, wie Junior zu glauben scheint. Stattdessen verdreht er die ganze Situation so, dass es niemanden stört, dass wir bei der Landung auf dem Planeten entweder tot oder uralt sein werden. Aber bevor ich etwas sagen kann, verkündet Junior: »Wir sind da!«
Er ist so stolz auf sich, dass ich es nicht übers Herz bringe, ihm zu sagen, dass ich schon einmal im Archiv war. Allerdings war ich da total aufgelöst, verheult und mit Schlamm besudelt. Ich erinnere mich an den Mann, der mir geholfen hat, Orion. Seiner Freundlichkeit habe ich es zu verdanken, dass ich nicht den Verstand verloren habe.
Einer der Schaukelstühle auf der Veranda wippt langsam hin und her, als wäre gerade jemand aufgestanden, aber davon abgesehen ist kein Lebenszeichen zu sehen.
»Oh!«, sage ich, als ich das Bild von Junior an der Wand neben dem Eingang hängen sehe. Juniors Gesicht hat die missmutige Visage des Ältesten ersetzt.
»Ja«, murmelt Junior verlegen. Meine erste Vermutung war, dass er mit dem Gemälde angeben wollte – das hätte Jason jedenfalls getan –, aber ich merke, dass er sich wünscht, ich hätte es gar nicht bemerkt.
»Komm rein«, sagt er. Das Archiv ist menschenleer, still und dunkel. Junior zeigt mir das große Modell von der Erde und dem Schiff, das ich schon kenne, aber ich werde von den Bildschirmen an der Wand abgelenkt. Als ich das letzte Mal mit Orion hier war, waren sie abgeschaltet gewesen, und ich hatte sie kaum zur Kenntnis genommen.
»Wandfloppys«, sagt Junior, als er mein Interesse bemerkt. »Das alles hat die Godspeed zustande gebracht, während du schliefst.«
Er lächelt mich an, aber ich nehme es kaum wahr. Ich bin fasziniert von dem, was vor mir auftaucht: ein Diagramm, wie die Dra-Koms funktionieren, und weitere von den Schwerkraftröhren. Ich erkenne mehrere von Harleys Bildern – darunter viele, die Koikarpfen zeigen, was sein Lieblingsmotiv zu sein scheint –, aber da ist noch mehr: Skulpturen, Keramiken, Zeichnungen, handgenähte Steppdecken. Einer der Floppys zeigt eine Liste mit verschiedenen Titeln, und als Junior auf den Schirm tippt, erfüllt Musik den Raum.
Zum ersten Mal, seit ich aufgetaut wurde, habe ich das Gefühl, dass ich mich hier wohlfühlen könnte. Es ist nicht die Erde, beim besten Willen nicht, aber ich sehe hier Kunst und Erfindungen und Leben, das die Erde nie zu sehen bekommen wird.
Und das alles ist geschaffen worden, während ich unter den Füßen von vielen Generationen meinen Albtraumschlaf geschlafen habe. Die Menschen über mir wussten genauso wenig von mir wie ich von ihnen.
»Das ist merkwürdig«, sagt Junior und klopft mit den Fingerknöcheln an einen der großen Wandcomputer.
»Was denn?«
»Das Bild verändert sich nicht«, sagt er.
Wenn die Beschriftung nicht gewesen wäre – PROTOTYP EINES BLEI-UMMANTELTEN SCHNELLEN BRÜTERS –, hätte ich keine Ahnung gehabt, was ich da überhaupt sehe. Nicht dass die Beschriftung mir geholfen hätte. Ich weiß nämlich trotzdem nicht, was ein schneller Brüter ist.
»Er rührt sich nicht«, murmelt Junior. »Mal sehen, ob ich …« Er geht zu einem der schwarzen Kästchen an der Wand und drückt den Daumen auf den Scanner. »Ältester/Junior: Zugang gewährt«, sagt die freundliche Computerstimme.
Rund um uns herum wechseln die Bilder. Jetzt tauchen zwischen Bildern der Godspeed auch Aufnahmen von der Erde auf. Ein Landschaftsgemälde, das das Krankenhaus und den Garten zeigt, wird von einem Foto des Monument Valley abgelöst. Obwohl ich nicht dort gewohnt habe, erinnert es mich an den Ort im Westen, wo das Raumlabor war, eine Stunde von Colorado entfernt, wo ich Jason kennengelernt habe, der letzte Ort, den ich mein Zuhause nannte.
»Die meisten Leute dürfen das nicht sehen«, informiert mich Junior, der immer noch vergeblich versucht, dem einen Monitor etwas anderes zu entlocken als die schematische Darstellung eines Motors. »Immer, wenn eine neue Generation geboren wird, fängt die Schule wieder an. Die Kinder dürfen das Modell der Sol-Erde und das der Godspeed sehen. Aber das hier ist tabu für
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