Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Und du kommst mit mir, Junior!« Junior zuckt zusammen und folgt dem Ältesten zur Tür. Kurz bevor die Tür zuschlägt und ich in der düsteren Halle mit den staubigen Modellen allein zurückbleibe, wirft er mir einen entschuldigenden Blick zu.
Ich merke erst, dass ich die Fäuste geballt habe, als ich die Finger wieder langsam strecke. Ich bebe vor Wut. Eines ist sicher: Ich werde herausfinden, welches Geheimnis der Älteste unbedingt bewahren will.
60
Junior
Wie nicht anders zu erwarten, hat mich der Älteste direkt zur Schwerkraftröhre und ins Lernzentrum geschleppt. Ich setze mich an den Tisch, als wäre ich für den Unterricht bereit, aber in meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken.
Ich weiß, dass Amy glaubt, ich hätte klein beigegeben und wäre dem Ältesten gefolgt wie ein Hund seinem Herrn. Ich habe die Enttäuschung in ihrem Blick gesehen, als ich das Archiv verließ. Aber ich muss in Kauf nehmen, dass Amy mich für schwach hält.
Weil es das ist, was ein Anführer zu tun hat.
Ich muss dieses Spiel noch eine Weile mitspielen. Muss mich darauf verlassen, dass der Älteste mich weiterhin für einen dummen Idioten hält und mich für meine Schwäche verachtet. Aber nicht mehr lange. Nur noch so lange, bis ich diese Mauer einreißen kann, die er zwischen sich und meiner Rolle als Regent dieses Schiffs aufgebaut hat.
Der Älteste hat seinen Biss verloren. Der Streit mit Amy, das plötzliche Brüllen, die Wutausbrüche, die er seit der Paarungszeit hat – die kühle, großväterliche Maske des Ältesten bröckelt, und darunter kommt sein wahres kleinliches, machtgieriges Ich zum Vorschein.
Bei seinem Streit mit Amy sah er in seiner Wut einfach nur töricht aus. Er ist ein alter Mann, der sich an seine Macht klammert, so gut er kann. Und ich brauche jetzt nur noch in den Löchern seiner Fassade zu stochern, bis ich zu ihm durchdringe und endlich herausfinde, was er schon so lange vor mir verbirgt und warum er dieses Geheimnis nicht mit mir teilen will.
Ich wurde zwar als Junior geboren, aber jetzt fühle ich mich zum ersten Mal so, als könnte ich tatsächlich eines Tages Ältester sein.
Der Älteste sieht mich mit ernstem Gesicht an. »Wieso hast du nach diesen Informationen gesucht?«
»Welchen Informationen?«
»Geschichte der Sol-Erde, schematische Darstellungen des Antriebs, die Seuche – wonach hast du gesucht?« Seine Stimme klingt kontrolliert und kühl.
»Was spielt das für eine Rolle?«
»ES SPIELT EINE ROLLE!«, brüllt der Älteste und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Ich verziehe keine Miene.
Ich zwinge mich, vollkommen gelassen zu wirken. Etwas habe ich heute vom Ältesten gelernt: einen Wutanfall zu bekommen, lässt einen albern und kindisch wirken. Also spreche ich langsam und ruhig, als müsste ich jemandem etwas erklären, der nicht besonders klug ist. »Ich habe angefangen, nach den Informationen zu suchen, die Sie mir vorenthalten haben. Ich soll eines Tages Ältester werden. Wenn Sie mir nicht sagen, was ich tun soll oder was ich wissen muss, um zu herrschen, muss ich es auf andere Weise herausfinden. Und wenn Sie einfach dastehen und wütend auf mich sein wollen, weil ich selbst nach Antworten suche, dann ist das allein Ihr Problem, denn eigentlich ist es Ihre Aufgabe, mich das alles zu lehren.«
Das Gesicht des Ältesten wird erst blass, dann dunkelrot. »Bist du nie auf die Idee gekommen, dass ich gute Gründe haben könnte, dir Informationen vorzuenthalten?«
»Nein«, antworte ich gelassen. »Ich kenne Sie, seit ich ein Kind war. Sie haben mich aufwachsen sehen und ich habe die letzten drei Jahre bei Ihnen gelebt. Welche Gründe könnten Sie wohl haben, mir nicht alle Informationen über das Schiff anzuvertrauen?«
»Du glaubst wohl, du weißt alles«, sagt der Älteste verächtlich. »Du bist immer noch ein Kind.«
»Sie sind am Ende«, sage ich ruhig und sehe zu ihm auf. »Sie verlieren die Kontrolle. Sehen Sie sich doch an. Sie lassen sich von Ihrer Wut leiten. Sie sind nicht mehr fähig, der Älteste zu sein.«
»Aber du bist es?«, schreit mich der Älteste mit schriller Stimme an.
Ich zucke mit den Schultern. »Etwas von dem, was Amy und ich uns angesehen haben, muss Sie so wütend machen. Ich frage mich nur, was …«
Der Älteste kocht vor Wut. Orions Tipp war falsch , denke ich. Man muss den Ältesten nicht austricksen, um zu kriegen, was man will. Man muss ihn nur richtig wütend machen.
»Die Geschichts-Floppys können es nicht sein.
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