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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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ihr das ist, was sie zu sagen versucht. Die Schwester gähnt.
    »Ich kann mich erinnern, dass ich das schon einmal erlebt habe. Als ich mit meiner Tochter schwanger war …«
    »Das kann nicht sein«, unterbricht sie die Schwester. »Viele Graue sagen das. Aber sie bringen nur Vergangenheit und Gegenwart durcheinander, sonst nichts.«
    Steela ist empört. »Sagen Sie mir nicht, woran ich mich erinnere und woran nicht!«
    »Klassische Wahnvorstellungen, hervorgerufen durch hohes Alter«, stellt die Schwester ungerührt fest. »Kommen Sie mit.«
    Sie greift nach Steelas Arm, aber die klammert sich an mir fest und weigert sich, auch nur einen Schritt zu tun.
    »Wohin bringen Sie sie?«, frage ich.
    »In den vierten Stock.«
    Meine Gedanken überschlagen sich. Ich muss Harley beim Wachehalten ablösen. Ich muss mich auf die Jagd nach dem Mörder konzentrieren. Aber Steelas knochige Hände zittern. Ich habe mir vorgenommen, sie nicht im Stich zu lassen. Außerdem will ich unbedingt wissen, was hinter den verschlossenen Türen im vierten Stock vor sich geht.
    »Ich kann sie nach oben bringen«, biete ich an und fühle, wie Steela an meiner Seite erleichtert aufatmet.
    »Das geht doch nicht …«
    »Ich tue es gern.«
    »Ich muss Doc fragen.« Ihre Hand schwebt schon in der Nähe des Knopfes in ihrem Ohr.
    »Das ist nicht nötig. Ich war schon oben und kenne mich dort aus. Wir verlaufen uns bestimmt nicht.«
    Die Schwester scheint nicht überzeugt, aber sie nickt. Auf unserem Weg zum Fahrstuhl beobachtet sie uns misstrauisch. Anscheinend rechnet sie damit, dass wir einen Fluchtversuch machen, aber ich drücke nur auf den Rufknopf und warte auf den Fahrstuhl.
    »Wir können abhauen«, flüstere ich Steela zu. »Ich weiß ein Hintertürchen – ich kann Sie hier rausbringen, ohne dass es einer merkt.« Ich weiß nicht einmal, warum ich ihr das anbiete. Wenn sie medizinische Versorgung braucht, sollte der Doktor sie sich ansehen. Es ist nur, dass in ihr jeder Lebensfunke erloschen zu sein scheint und sie völlig verängstigt ist.
    Steela schüttelt den Kopf. »Ich sehe mich, wie ich im Großen Raum stehe, schwanger mit meiner Tochter, und zu den Sternen aufschaue. Ich sehe das ganz klar vor mir. Aber es kann nicht passiert sein, oder? Die Schwester hat gesagt, dass viele von uns Älteren Wahnvorstellungen bekommen. Vielleicht liegt es doch am Alter. Vielleicht sollte ich wirklich mit dem Doc darüber reden.«
    Die Fahrstuhltür gleitet auf. Ich lasse Steelas Arm erst los, als wir sicher in der Kabine stehen. Mein Finger bewegt sich zum Knopf für den dritten Stock, verharrt dort einen Moment und wandert dann doch nach oben und landet auf dem Knopf für den vierten. Wir schweigen.
    Der Fahrstuhl wippt einmal und steht dann still. Das Licht zeigt an, dass wir im vierten Stock sind.
    »Bleib bei mir«, fleht Steela, als die Türen aufgehen.

62
    Junior
    »Was soll das heißen, dass es nie eine Seuche gab?«, frage ich, und meine Gedanken überschlagen sich. Das ist eine der wenigen Fakten, die alle an Bord kennen – Versorger, Techniker, wir alle. Es ist die erste Lektion, die jedes Kind lernt: Wir müssen zusammenarbeiten und fleißig sein oder wir riskieren eine neue Seuche. Es ist ein solcher Teil unseres Lebens, dass wir sogar ein Medipflaster aufkleben, wenn wir nur glauben , dass wir krank sein könnten, und jedes Niesen wird unverzüglich Doc gemeldet.
    »Es gab keine Seuche. Natürlich hat es Krankheiten an Bord gegeben – einige davon waren sogar recht schwer –, aber es gab keine Seuche.«
    »Aber die Toten … wir erholen uns immer noch von der Zahl der Todesopfer. Wir haben noch nicht wieder unsere normale Bevölkerungsdichte erreicht, obwohl die Seuche so lange her ist.« Ich muss an die leeren Unterkünfte in der Stadt denken und daran, dass immer noch Platz für neues Wachstum an Bord ist, obwohl die Seuche so weit zurückliegt, dass sich niemand mehr daran erinnern kann. »Das haben Sie mich gelehrt. Sie haben gesagt, dass drei Viertel der Bewohner der Seuche zum Opfer gefallen sind.« Ich kann nichts gegen meinen vorwurfsvollen Tonfall tun. Aber eigentlich hätte ich nicht überrascht sein dürfen. Die unechten Sterne im Raum nebenan sind Beweis genug.
    »Es hat Todesfälle gegeben. Aber eine Seuche war nicht der Grund dafür.«
    »Was soll das heißen?« Der Älteste ist ganz ruhig, und jetzt bin ich es, der einer Panikattacke nah ist. Wie viel mehr von meinem Leben beruht noch auf Lügen?
    »Komm

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