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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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etwas anderes konzentrieren kann als auf das Lärmen in meinem Ohr.
    »Ich wollte dir nur einen guten Rat geben – es hat keinen Sinn, dem Ältesten Widerstand zu leisten. Das klappt nicht. Er ist ein alter König, zu sehr an seine Macht gewöhnt. Du kannst ihm nicht direkt gegenübertreten. Du musst ihn austricksen.« Orion streicht sich das lange zottige Haar hinters Ohr, und ich bemerke erneut die spinnwebartigen weißen Narben an seiner linken Halsseite, als wäre sein Fleisch dort aufgerissen worden und nicht mehr richtig zusammengewachsen.
    »Ich mach, was ich will«, sage ich und dränge mich an ihm vorbei, eine Hand noch immer aufs Ohr gepresst.
    Ich taumele durch den Gemeinschaftsraum. Direkt neben Harley bringt mich ein weiteres unnatürliches Kreischen so aus dem Gleichgewicht, dass ich gegen seine Staffelei laufe.
    »Junior?« Er springt besorgt auf.
    Ich ignoriere ihn, öffne die Tür zum Gang und steuere auf Amys Zimmer zu. Ich werde ihr diese Blumen bringen, auch wenn es mich umbringt. Ich lasse mich vom Ältesten nicht herumschubsen.
    »Was ist los?« Harley ist mir gefolgt. Er hinterlässt einen Koi-farbenen Handabdruck auf meinem Arm, als er nach mir greift, aber ich schüttele seine Hand ab.
    Ich bleibe vor Amys Tür stehen und klopfe.
    Keine Antwort.
    »Was machst du hier?« Harley klingt betroffen, das höre ich sogar trotz des lauten Krächzens, das jetzt in meinem linken Ohr eingesetzt hat. Dann fällt es mir wieder ein – dies war das Zimmer seiner früheren Freundin.
    »Eine neue Bewohnerin«, sage ich und verziehe das Gesicht. Meine Stimme hört sich in meinem Ohren viel zu laut an.
    Harley stützt sich an die weiße Wand und hinterlässt einen orange gelben Klecks. Seit er dauerhaft auf der Station lebt, stört das hier niemanden mehr, es ist nur ein Fleck unter vielen.
    Die Dra-Kom gibt sich alle Mühe, mich kleinzukriegen – die Geräusche und Töne werden jetzt immer lauter und wechseln immer schneller. Ein Teil von mir würde am liebsten mit dem Kopf gegen die Tür hämmern, damit der Lärm aufhört. Ich weiß genau, dass mir hierbei Docs Psycho-Pillen nicht helfen würden. Meine linke Hand krallt sich so fest um mein Ohr, dass Blut zwischen meinen Fingern herausrinnt – ich habe Angst, es abzureißen. Stattdessen schlage ich mit der rechten Faust gegen die Wand.
    Die Blumen, die ich im Garten gepflückt habe – die großen bunten Blüten, die ich extra ausgewählt habe, weil sie mich an Amys Haar erinnern – knicken unter der Wucht meines Schlags ab. Sie rieseln in einem rotgoldenen Schauer zu Boden.
    Der kreischende Lärm ist nicht mehr auszuhalten. Ich lasse den Rest der Blumen vor Amys Tür fallen und presse beide Hände auf meine Ohren, dann renne ich vom Krankenhaus zur Schwerkraftröhre des Versorgerdecks, um zum Regentendeck hochzufahren und endlich erlöst zu werden.

17
    Amy
    Der Mann, der mir gegenübersitzt, hat lange Finger. Er verschränkt sie immer wieder, stützt dann sein Kinn darauf und starrt mich an, als wäre ich ein Rätsel, das er nicht lösen kann. Als er mich aus meinem Zimmer abgeholt hat, machte er einen höflichen, sympathischen Eindruck, aber mittlerweile wünschte ich, ich wäre nicht mitgegangen.
    »Es tut mir leid, dass du in dieser Lage bist.«
    Der Junge hat mir zwar schon alles gesagt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass mir dieser »Doktor« alles noch einmal bestätigt.
    »Wir landen wirklich erst in fünfzig Jahren?« Meine Stimme klingt kalt und hart wie das Eis, in dem ich jetzt lieber wieder wäre.
    »In etwa 49 Jahren und 250 Tagen, ja.«
    Es sind 266 Tage , denke ich, weil mir wieder einfällt, was der Junge gesagt hat. »Kann ich wieder eingefroren werden?«
    »Nein«, sagt der Doktor. »Wir haben zwar noch ein paar Kryo-Kammern …«
    »Stecken Sie mich in eine davon!«, verlange ich von ihm und beuge mich vor. Ich könnte ein ganzes Jahrhundert lang Albträume ertragen, wenn ich dadurch mit meinen Eltern zusammen aufwachen dürfte.
    » Wenn du korrekt reanimiert worden wärst, wäre das eventuell eine Option, aber selbst dann sehr gefährlich. Deine Zellen sind nicht dafür gemacht, mehrfach eingefroren zu werden. Der Körper baut ab, wenn er mehrmals reanimiert wird.« Der Doktor schüttelt den Kopf. »Dich wieder einzufrieren, könnte dich umbringen.« Er sucht nach einer Möglichkeit, es mir deutlicher zu erklären. »Du wärst vollkommen ausgetrocknet … tot«, fügt er noch hinzu, als nicht einmal das meinen

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