Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Stein herbekommen? Es ist ja nicht so, als könnten sie zum nächsten Steinbruch fahren und sich holen, was sie brauchen.
Mir fällt ein Wassertropfen auf den Kopf. Ich werfe einen Blick nach oben und einen verrückten Moment lang rechne ich tatsächlich mit Regenwolken. Ich habe Regen immer gemocht, aber nach einem Blick auf die schlichte Metalldecke weiß ich, dass mir die Schiffsversion des Regens nicht gefallen wird. Sie erinnert mich nur wieder daran, wie falsch die Godspeed ist. Hier gibt es keine Regenwolken, keinen schwarzen Himmel, durch den Blitze zucken. Wenn es hier auf der Godspeed regnet, fällt einfach Wasser aus der Sprinkleranlage an der Decke. Ich fange einen Tropfen davon mit der Zunge auf. Er ist kühl, wie echter Regen, schmeckt aber irgendwie abgestanden und ein bisschen nach Öl.
Es »regnet« nur leicht und deshalb gehe ich weiter den Pfad hinunter auf die Statue zu.
»Es wundert mich, dass es bei euch regnet«, sage ich.
Junior lächelt mich an.
»Was?«
»Du redest echt komisch«, sagt er, was witzig ist, weil seine Worte für mich ganz merkwürdig klingen.
»Ha! Du bist doch der mit dem komischen Akzent!«
»Kooomsch Ahk-sent«, äfft er mich lachend nach. Ich strecke ihm die Zunge raus, muss aber genauso lachen.
Ein paar Regentropfen fallen auf den Kopf der Statue und rinnen wie Tränen über ihr Gesicht. Sie hinterlassen dunkle Spuren. Ich schaue genauer hin. Das Gesicht ist nicht so detailliert gearbeitet, wie ich dachte. Es sieht sogar ziemlich verwittert aus.
»Wie lange ist die Seuche her?«, frage ich.
»Ich bin nicht sicher«, sagt Junior und geht von der Statue weg. »Ich müsste nachschauen. Wieso wundert es dich, dass es bei uns regnet?«
»Nun …« Ich ziehe das Wort in die Länge und betone damit den Akzent, den ich Junior zufolge habe. Sein Lächeln wird breiter. »Es ist nur … na ja … weil es kein Regen ist. Wieso soll es dann so aussehen? Ihr könntet die Pflanzen doch ebenso gut mit Sprengern bewässern.«
Junior zuckt mit den Schultern. »Das gehört zum ursprünglichen Design des Schiffs … zur biologischen Forschung …«
»Was?«
»Ich habe im Archiv ein paar alte Pläne des Schiffs gesehen. Ursprünglich war das Versorgerdeck ein Bereich für ›Biologische Forschung‹. Da habe ich nicht dran gedacht, aber … der Älteste ist für das Wetter verantwortlich. Um verschiedene Bedingungen zu simulieren, die uns auf der Zentauri-Erde erwarten können. Er ändert das Muster ungefähr alle fünf Jahre oder so. Letztes Mal war die Beregnung so eingestellt, dass nur einmal im Monat bewässert wurde. Die Forscher mussten den Bauern dabei helfen, andere Bewässerungsmethoden zu finden. Und …« Er denkt nach und hat beinahe vergessen, dass ich noch da bin und ihm zuhöre. »Als ich ein Kind war, hat es richtig viel geregnet. Ich habe geholfen, einen Entwässerungsgraben auszuheben. Die Schafweiden standen immer wieder unter Wasser. Der Älteste lässt uns gelegentlich die Erde austauschen und verschiedene Minerale entziehen oder hinzufügen.«
Er schaut jetzt zu mir auf. »Das Versorgerdeck ist eigentlich eine biologische Versuchsanlage – hier werden Bedingungen erforscht, wie sie auf der Zentauri-Erde sein können. Im Archiv gibt es Aufzeichnungen darüber, welche Versuche notwendig waren. Nein … nicht notwendig. Es ist das, was der Älteste macht. Es ist Teil der Verantwortung eines Ältesten …«
»Das bedeutet, dass es auch ein Teil deiner Verantwortung sein wird, stimmt’s?«, frage ich. »Du bist der nächste Älteste.« Am liebsten hätte ich ihn noch gefragt: Wieso hat er dir das alles nicht längst beigebracht? Aber ich schätze, dass ich so etwas lieber nicht laut sagen sollte. Junior kann die Frage ohnehin in meinem Gesicht ablesen. Er schlägt den Weg zum Teich ein, aber ich merke, dass er keine Antwort auf meine Frage weiß.
Ich folge ihm. Die großen Blüten der Hortensien hängen über den Weg.
Der Regen wird stärker. Er prasselt gleichmäßig herab, aber er kommt echtem Regen doch so nah, dass ich den Kopf in den Nacken lege und mir das Wasser auf die geschlossenen Lider tropfen lasse.
»Diese ganze Ältesten-Sache … ich verstehe nicht, wie die funktioniert.«
»Wieso nicht?«
Wir bleiben an einem Teich stehen, der etwa die Größe des Swimmingpools meiner Highschool hat. Ein Mann und eine Frau lassen sich ein Stück weiter den Pfad hinunter lachend auf eine Bank fallen.
»Er ist kein friedliebender Mensch. Er
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