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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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so …«
    »Verrückt?« Meine Stimme bricht.
    »Kaum zu glauben, was? Die Verrückten sind davon weniger betroffen als alle anderen. Vielleicht liegt es an unseren Psycho-Pillen. Sie sollen dämpfend auf unsere Verrücktheit wirken, aber vielleicht dämpfen sie gleichzeitig das Verlangen zur Paarung.«
    Bei Luthe war nichts gedämpft gewesen. Er hatte genau gewusst, was er tat. Aber die Bauern nicht. Ob es daran liegt, dass sie so hirnlos sind? Was immer ihnen in den Kopf kommt, das tun sie. So ähnlich wie das Mädchen mit den Kaninchen, das geglaubt hat, was der Älteste ihr eingeredet hat, obwohl sie die Wahrheit direkt vor der Nase hatte. Leute wie Harley und Luthe, die keine willenlosen Idioten sind, haben mehr Kontrolle über sich. Sie können entscheiden, nett zu sein – wie Harley.
    Oder sie entscheiden sich, so zu sein wie Luthe.
    Harley redet immer noch, um mich von allem abzulenken. Er redet, als würden seine Worte alles wiedergutmachen, aber das klappt nicht, es geht nicht, es kann nicht gehen. Ich will, dass er verschwindet.
    Harley steht auf. »Ich hole dir noch ein Glas Wasser.«
    »Nein.« Ich will allein sein. Ich will, dass er geht und ich mich verkriechen kann.
    »Aber ich denke …«
    »NEIN!«, schreie ich ihn an. Meine Hände rutschen von meinen verschwitzten Armen ab. Als meine Finger wieder zurück zu den Ellbogen wandern, krallen sich meine Nägel ins Fleisch, um kein zweites Mal den Halt zu verlieren. »Nein«, flüstere ich. »Bitte. Lass mich allein. Lass mich einfach allein.«
    »Aber …«
    »Bitte«, nuschle ich in Ambers Fell.
    Harley geht.
    Ich liege lange Zeit zusammengerollt auf dem Bett, halte die Augen fest geschlossen. Aber das Bild bleibt grauenhaft klar.
    Meine Arme umschlingen mich immer enger und ziehen meine Knie so fest an die Brust, dass es wehtut. Aber es hilft nicht. Ich will, dass mein Dad mich in den Arm nimmt und mir sagt, dass er es mit jedem aufnimmt, der mir etwas antut. Ich will, dass meine Momma mich küsst und mir sagt, dass alles wieder gut wird. Denn ich kann nur daran glauben, dass alles wieder gut wird, wenn es einer von beiden zu mir sagt.
    Ich löse meinen Klammergriff. Meine Knöchel sind ganz weiß, und die Fingerspitzen kribbeln, als das Blut wieder durch die Adern fließt. Als ich die Beine ausstrecke, knacken meine Knie laut.
    Einen Moment lang liege ich flach auf dem Bett, aber das erinnert mich sofort daran, wie ich flach im Feld gelegen habe, und ich springe so hastig auf, dass mir schwindelig wird.
    In nur drei Schritten bin ich an der Tür, doch als ich nach dem Knopf zum Öffnen greife, fangen meine Hände an zu zittern.
    Die sind immer noch da draußen.
    Mit ihren verschwitzten, pulsierenden Körpern, ihren gierigen Blicken und ihren grapschenden Händen.
    Ich muss es tun , flüstere ich mir selbst zu.
    Aber meine Hände hören nicht auf zu zittern.
    Ich lasse den Kopf an die kühle Wand sinken. Am liebsten würde ich Harley oder Junior zu mir rufen, aber ich habe nicht diesen Knopf im Ohr, mit dem sie kommunizieren. Außerdem kann mich Harley nicht jedes Mal retten.
    Ich drücke auf den Knopf. Die Tür zischt auf. Aber noch bevor sie ganz offen ist, schlage ich erneut auf den Knopf, und sie saust wieder zu.
    Ich plane die Strecke im Kopf. Ich sehe mich rennen, rennen, rennen – so schnell, dass mich keiner einholt. Ich sehe die Strecke so genau vor mir, dass ich überzeugt bin, sie sogar mit geschlossenen Augen laufen zu können.
    Meine Hand rutscht über den Knopf und die Tür fliegt auf. Zum Glück sind keine Leute auf dem Flur. Ich reiße die Glastür zum Gemeinschaftsraum auf und stürme an den Leuten vorbei, die zu abgelenkt sind, um mich zu bemerken. Ich sehe mich immer wieder hektisch um, denn es könnte sich jemand von hinten anschleichen. Ich springe in den leeren Fahrstuhl. Zum ersten Mal, seit ich mein Zimmer verlassen habe, atme ich wieder halbwegs normal. Ich drücke den Knopf in den vierten Stock.
    Auch hier ist der Flur menschenleer und ich stoße ein stilles Dankgebet aus. Trotzdem renne ich an den geschlossenen Türen vorbei, weil ich die verrückte Angst habe, dass sie plötzlich aufgehen und dahinter Horden gieriger Männer lauern, die sich auf mich stürzen. Ich entspanne mich erst wieder im zweiten Fahrstuhl, der mich in die Totenruhe des Kryo-Decks befördert.
    Ich will sehen, wo sie sind. Sonst nichts.
    Zuerst renne ich. Aber je näher ich ihnen komme, desto langsamer werden meine Schritte, bis sie nur noch ein

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