Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
etwas Unvorhergesehenes passiert. Und wenn nichts passiert?
Wenn ich ihnen Mom lasse, haben sie vielleicht nichts dagegen, wenn ich Dad zu mir zurückhole. So dringend wird er ja nicht gebraucht.
Meine Hand liegt schon auf dem Kästchen über seinem Kopf, mit dem Finger über dem biometrischen Scanner. Das Licht blinkt gelb. Zugang verweigert. Ich habe keine Sicherheitsfreigabe. Ich bin nicht wichtig genug, um die Box zu öffnen und den Schalter umzulegen, der Dad wieder zum Leben erweckt.
Ich kann ihn nicht auftauen. Er wird gebraucht. Ich weiß es, auch wenn ich es nicht zugeben will. Ich bin der Beweis, wie wichtig er ist – sie hätten mich nicht mitgenommen, wenn es anders wäre. Er und Mom wussten, was es bedeutete, als sie sich für die Mission verpflichtet haben. Ich erinnere mich gut an diesen Tag. Sie waren beide bereit, sich von mir zu verabschieden, nur um auf dieses Schiff zu gehen. Dad hatte Vorkehrungen getroffen, wie ich ohne sie weiterleben konnte. Als er mich vor dem Einfrieren in den Arm nahm, hat er sich verabschiedet. Er hat nie damit gerechnet, mich wiederzusehen. Er hat nicht einmal einen Koffer für mich gepackt. Er hat mich aufgegeben, weil er unbedingt auf einem anderen Planeten aufwachen wollte.
Ich kann ihm diesen Traum nicht nehmen.
Wenn er sich von mir verabschieden konnte, kann ich das auch von ihm.
Außerdem bin ich nicht so egoistisch, dass ich meinen Status vergesse. Ich bin es, die ohne Bedeutung ist, nicht sie. Wenn auf dem neuen Planeten nichts wächst oder die Tiere nicht überleben, wird Mom es möglich machen. Wenn dort ein Haufen gefährlicher Außerirdischer lebt, wird Dad mit ihnen fertig.
Es kann von den beiden abhängen, ob die Menschen auf dem neuen Planeten überleben oder sterben.
Ich kann ihnen das nicht nehmen. Ich kann ihre Träume nicht zerstören und auch nicht die zukünftigen Bewohner dieses Planeten gefährden, den ich erst erreichen werde, wenn ich älter bin als sie.
Ich kann warten. Ich kann fünfzig Jahre warten, bis ich sie wiedersehe.
Ich schiebe ihre Särge wieder in die Kryo-Kammern und verriegele die Türen. Dann kehre ich zurück zum Fahrstuhl.
Ich kann warten.
44
Junior
»Was ist das für ein Geräusch?«, frage ich, denn das Brummen ist mir erst jetzt aufgefallen.
Der Älteste wirft einen Blick über seine Schulter, wo der Raum L-förmig um die Ecke geht. »Da hinten ist die Wasserpumpe.«
Ich runzele die Stirn. Die Wasseraufbereitung ist auf dem Technikdeck, nicht hier unten. Aber dann fällt mir die Blaupause wieder ein, die Orion mir gezeigt hat, bevor Amy aufgewacht ist. Da war eine zweite Wasserpumpe auf dem unteren Deck.
»Die ist alt«, stelle ich fest.
»Woher weißt du das?«, fragt der Älteste.
Ich gehe um die Ecke und sehe sie mir an. Sie ist längst nicht so groß wie die Pumpe auf dem Technikdeck. Diese hat eine Kontrolleinheit und darüber ist eine Zuleitung. Die Pumpe auf dem Technikdeck dient der Aufbereitung und Verteilung des Wassers. Diese kleinere Pumpe ist dazu gebaut, dem Wasser etwas beizumischen. Neben der Pumpe steht ein leerer Eimer, dessen Innenseite mit einer dicken, sirupartigen Schicht bedeckt ist.
»Wofür ist diese Pumpe?«, frage ich.
Der Älteste sieht mich mit großen Augen an. »Zum Pumpen von Wasser.«
»Nein. Das macht die Pumpe auf dem Technikdeck. Wofür ist diese hier?«
Er lächelt. Als wäre er stolz darauf, dass ich ihn durchschaut habe. »Sie ist Teil des ursprünglichen Designs des Schiffs. Die Godspeed ist nicht besonders groß. Wir fügen dem Wasser Nährlösungen hinzu, die dafür sorgen, dass die Bevölkerungsdichte von einer Person auf 8000 Quadratmetern nicht überschritten wird. Mehr als dreitausend Menschen dürfen es auf keinen Fall werden. Deshalb haben wir schon immer regulierend eingegriffen.« Er bemerkt meine Verwirrung. »Geburtenkontrolle.«
»Damit?«, frage ich und deute auf die Zuleitung.
Der Älteste nickt. »Wir benutzen diese Wasserpumpe, um empfängnisverhütende Mittel und Vitamine an alle zu verteilen. Sie werden direkt ins Wasser gemischt und halten alle gesund. Was meinst du wohl, wieso die Bauersfrauen immer sagen, dass man Wasser trinken soll, wenn es einem nicht gut geht? Und wenn die Paarungszeit beginnt, nehmen wir die Empfängnisverhüter heraus und fügen Hormone hinzu. Um das sexuelle Verlangen zu stimulieren. Bei den Bauern wirkt das besonders gut.«
Ich muss daran denken, wie Amy gesagt hat, dass die Paarungszeit unnatürlich ist. Sie hatte
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