Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Älteste da unten ist. Wir haben zu allem denselben Zugang, und deshalb nennt der Computer immer unsere beiden Namen, schon vergessen?«
Amy ballt die Faust und zerknüllt dabei den Rand des Floppys.
»Ich weiß, was du denkst«, sage ich. »Aber er ist im Labor. Die Kryo-Kammern sind hier drüben.«
»Sieh doch.« Harley zeigt auf den Punkt des Ältesten, der sich über die Karte bewegt und dann verschwindet.
»Was ist passiert?«, fragt Amy verblüfft.
»Er ist im Fahrstuhl und müsste gleich auf dem Versorgerdeck auftauchen. Aber ich dachte, du würdest das gern behalten. Ich habe es so eingestellt, dass es mit deinem Daumenabdruck funktioniert. So kannst du beobachten, wer kommt und geht.«
»Danke«, sagt Amy. »Aber … das ist nicht gut genug. Wir müssen dort unten sein. Die ganze Zeit. Und wir sollten sofort gehen.« Sie steht auf. »Sofort. Wenn wir nicht da sind, um sie zu beschützen, werden Leute ermordet! Weil wir nicht auf sie aufpassen!«
»Nein.« Meine Stimme klingt ruhig und sicher. »Sie werden ermordet, weil es hier einen Mörder gibt.«
Amy macht den Mund auf und will wahrscheinlich darauf bestehen, dass wir aufs Kryo-Deck hinunterfahren, aber Harley drückt ihr ein weiteres Glas Wasser in die Hand. Ich habe mich so sehr auf Amy konzentriert, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie Harley aufgestanden ist und ihr aus dem Badezimmer Wasser geholt hat. Amy reißt es ihm fast aus der Hand.
»Trink nicht so viel Wasser«, sage ich und denke an die zweite Wasserpumpe, die der Älteste auf dem Kryo-Deck versteckt hält, aber Amy trinkt das Glas in wenigen Zügen leer. Als sie es auf dem Tisch abstellt, hat sie nicht mehr diese roten Flecken im Gesicht und atmet wieder normal. Harley setzt sich zögernd auf die Bettkante.
»Ich werde Wache halten, wann immer ich kann«, verspricht er Amy. Ich frage mich, ob er das nur anbietet, um der Luke zu den Sternen nahe sein zu können. Wie oft er die Tür wohl schon geöffnet hat, um besser hinaussehen zu können?
Dann kommt mir ein düsterer Gedanke. Harley war die ganze Nacht da unten. Er kann Mr Kennedys Glaskasten herausgezogen haben. Ich sehe es direkt vor mir, wie Harley über dem auftauenden Mann steht und zusieht, wie er stirbt. Er hätte es tun können.
Aber warum?
Dann muss ich an Harleys Depressionen denken, die zusätzlichen Medis, die Doc ihm verpasst und dass er sie in all dem Chaos schon mindestens eine Woche nicht mehr genommen hat.
Ich hole tief Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Harley ist kein Mörder.
Oder doch?
Nein – nein . Harley würde nie –
»Und …«, setzt Amy an.
Biep, biep-biep .
Meine Hand fährt hoch zu meiner Dra-Kom. Harley macht dasselbe. Wir tauschen einen Blick. Es kommt äußerst selten vor, gleichzeitig mit jemand anderem eine Kom-Verbindung zu haben.
»Was ist los?«, fragt Amy, und ihr Blick huscht nervös zwischen uns hin und her.
Dann erfüllt eine tiefe Stimme mein Ohr.
»An alle Bewohner der Godspeed. Ich habe etwas Wichtiges anzukündigen.«
51
Amy
»Was ist los?«, frage ich wieder. Das erinnert mich an das letzte Mal, als alle gleichzeitig eine Nachricht bekamen und sich hinterher alle Leute im Gemeinschaftsraum gegen mich gestellt haben. Mein Magen krampft sich zusammen. Wenn sich Harley und Junior jetzt auch gegen mich stellen? Sie sind alles, was ich habe.
»Was ist los?«, frage ich noch eindringlicher. Junior wedelt mit der Hand, als wäre ich eine lästige Fliege. Ich sehe Harley an, aber er macht ein so konzentriertes Gesicht, als hörte er etwas von lebenswichtiger Bedeutung. Ich packe seinen Ellbogen, aber er schüttelt mich ab. Junior sieht mich strafend an.
Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie mich jetzt hassen. Ich weiß nicht, was sie da hören, aber ich weiß, dass es schlimm ist. Die beiden sehen ernst aus. Und jetzt starrt Junior mich düster an. Ich kann nicht zulassen, dass sie mich hassen. Das dürfen sie nicht.
Ich hole mir meinen Teddybären vom Schreibtisch und drücke ihn an mich. Mit dem leeren Wasserglas renne ich ins Badezimmer, um es neu zu füllen.
Ich kippe es hinunter, ohne abzusetzen. Fülle es wieder. Und stürze es hinunter.
Es scheint mir tatsächlich gutzutun, dass Harley mich so bemuttert; das Wasser beruhigt mich offenbar ein bisschen. Es fühlt sich an, als würde man vor einem wichtigen Rennen tief Luft holen.
Ich kehre ins Zimmer zurück.
Junior und Harley schauen zu mir auf.
Ich wusste es. Sie hassen mich.
Was immer ihnen
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