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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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Bauch in dem China-Restaurant denken muss, in das Jason mich bei unserem ersten Date eingeladen hat, damals, als ich noch nicht einmal wusste, was die Godspeed überhaupt ist.
    »Ich kann nicht atmen, ich krieg keine Luft«, keucht Victria.
    »Komm, setz dich auf den Stuhl«, sage ich und strecke die Hand aus, um ihr aufzuhelfen. Victria schüttelt so heftig den Kopf, das ihr ganzer Oberkörper schwankt. Sie zuckt vor mir zurück. Ihre Arme zittern stark, ihr Gesicht ist schweißüberstömt und die Tropfen rinnen an ihrem Hals herunter. Sie wankt vor und zurück, zieht die Beine noch enger an die Brust und schnappt nach Luft.
    »Ich sterbe, ich sterbe!«, jammert sie.
    »Tust du nicht «, widerspreche ich und zwinge mich, gelassen zu klingen. »Du hast eine Panikattacke. Victria, du musst dich beruhigen. Das Baby –«
    »Oh, Sterne, das Baby!«, wimmert Victria und schaukelt noch schneller vor und zurück. »Ich kann kein Baby kriegen! Nicht hier! Nicht da!« Ihr Atem geht immer schneller.
    »Victria. Victria! Beruhige dich, bitte. Beruhige dich. Sag mir, was los ist«, flehe ich verzweifelt. »Wovor hast du solche Angst?«
    Alles, was ich aus ihrer Antwort heraushöre, ist »sterbe« und »Orion« und »Planet« und »nein«.
    Ich greife in die Tasche und hole das Medipflaster heraus, das Victria zuvor nicht aufbekommen hat. Unter der Verpackung fühle ich das merkwürdig weiche Pflaster – es ist so dünn, dass es kaum vorstellbar ist, dass dieses kleine Ding jemanden ruhigstellen kann. Und drei davon tödlich sind. Ich klebe es auf ihren Handrücken.
    Ihr Geschaukel hört sofort auf. Victrias Arme sinken herab und ihre Beine strecken sich entspannt aus.
    »Bist du okay?«, frage ich sie leise.
    Victria blinzelt.
    »Komm mit«, sage ich und stehe auf. Ich reiche Victria die Hand und sie lässt sich von mir aufhelfen. Ihre Schultern hängen und ihr Blick ist wie weggetreten. Die verschwitzten Haare kleben ihr im Gesicht. Ich streiche sie ihr aus der Stirn und hinter das linke Ohr, wo ihre Dra-Kom sitzt. Sie zeigt keine Reaktion auf meine Berührung; sie scheint sie nicht einmal wahrzunehmen.
    »Victria?«, sage ich. Und dann noch einmal lauter: »Victria?«
    Victria blinzelt.
    Ich führe sie zum Fahrstuhl.
    Als wir in die Lobby des Krankenhauses kommen, ist es dort voller als je zuvor. Zwei gestresst wirkende Schwestern versuchen, eine Horde Leute zurückzudrängen, die auch noch hereinkommen wollen, und Lehrlinge hetzen von einem Patienten zum nächsten. Neben mir umklammert ein Mann die Armlehnen des Stuhls, auf dem er sitzt.
    »Was haben denn all die Leute?«, frage ich Kit, die an mir vorbeihastet. »Hat es einen Unfall gegeben?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Doc entdeckt Victria und mich, kommt auf uns zu und drückt jedem Patienten, der ihm flehentlich die Arme entgegenstreckt, ein einzelnes grünes Medipflaster in die Hand.
    »Was ist los?«, frage ich ihn. »Hängt das mit dem Aufruhr zusammen?«
    Doc schüttelt den Kopf. »Junior denkt nicht nach. Er denkt nie nach. Er kann ihnen nicht alles auf einmal zumuten. Die Leute können mit so was nicht umgehen.« Sein Blick fällt auf den Mann neben uns, der sich an den Stuhllehnen festkrallt. Er greift in die Tasche seines Kittels und holt ein hellgrünes Pflaster heraus, zieht die Rückseite ab und drückt es dem Mann auf den Arm. Der Klammergriff des Mannes lockert sich und ihn erfüllt eine leere, ausdruckslose Form der Zufriedenheit.
    »Ich bringe sie in ihr Zimmer«, bietet Kit an und steuert Victria am Ellbogen durch die Halle.
    Ich überlege, ebenfalls in mein Zimmer zu gehen, entscheide mich dann aber dagegen. Ich brauche frische Luft, auch wenn der Sauerstoff nur recycelt ist. Draußen ist es stockdunkel, aber den Weg ins Archiv finde ich auch ohne Licht. Es ist noch alles ganz schlammig von dem heftigen Regen, aber anscheinend hat Junior ihn nach seiner Ankündigung gestoppt. Trotz des Matsches kenne ich diesen Pfad besser als alle Strecken, die ich zu Hause immer gelaufen bin. Den dicken Mulch im Krankenhausbereich, die Pflanzen, die mir auf dem Weg durch den Garten um die Beine streichen, den Geruch des Wassers am Teich und dann den leichten Anstieg zum Archiv.
    Allmählich verstehe ich, wieso die Leute im Krankenhaus so ausgeflippt sind, denn sogar ich bin überwältigt von der Erkenntnis, dass es noch mehr gibt als das hier. Obwohl ich schon die Luft auf den Gipfeln der Rocky Mountains geatmet habe und auch einmal im Atlantischen Ozean geschwommen

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