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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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bin, habe selbst ich vergessen, dass es jenseits dieser Wände noch etwas anderes gibt.
    Ich habe die Erde vergessen.

55
    Junior
    Eigentlich wollte ich nicht schlafen – ich wollte nur ein kurzes Nickerchen machen und dann Amy holen und ihr auf der Brücke einen ganz privaten Blick auf den Planeten gewähren. Aber stattdessen wache ich erst am nächsten Morgen auf – mit einem Lächeln auf den Lippen und einem ekligen Geschmack im Mund.
    Es ist so weit.
    Endlich ist es so weit.
    Hastig ziehe ich mich an, aber bevor ich aus dem Zimmer stürme, sehe ich mich noch einmal um.
    Ich habe drei Jahre hier gelebt, seit mich der Älteste vom Versorgerdeck geholt hat, um mich zu seinem Nachfolger auszubilden. Ich habe dieses Zimmer gehasst, wenn mich der Älteste darin eingesperrt hat, nachdem ich mir irgendeine Dummheit erlaubt hatte, oder später, nach seinem Tod, als es mich ständig daran erinnerte, wie einsam ich war. Aber es gab auch Momente, in denen ich dieses Zimmer geliebt habe. Ich lächle bei der Erinnerung daran, wie Amy auf mein Bett gesprungen ist, um mich zu wecken. Ich kann es kaum erwarten, ihr das zu schenken, was sie sich immer gewünscht hat, von dem ich geglaubt habe, ich hätte es ihr für immer genommen.
    Aber so begierig ich auf die Zukunft bin, kann ich doch nicht vergessen, was ich alles zurücklasse.
    Ich erinnere mich:
    An die erste Nacht, die ich hier verbracht habe, schlaflos und verängstigt. Und daran, wie der Älteste hereinkam, sich auf meine Bettkante gesetzt und mir erzählt hat, dass es ihm zu Beginn seiner Ausbildung ganz genauso ergangen ist.
    Ich erinnere mich:
    Der Älteste und ich hatten einmal Streit – das war ziemlich zu Beginn, als ich noch wütend auf den Ältesten war, aber noch keine Angst vor ihm hatte – und wir haben uns angeschrien, bis er die Hand gehoben und mir ins Gesicht geschlagen hat. Ich bin vom Lernzentrum in mein Zimmer gerannt – es kam mir vor, als wäre ich meilenweit vor ihm geflohen – und habe mich über eine Stunde lang zwischen dem Bett und dem Nachttisch versteckt, bis irgendwann der Duft von gebratenem Huhn und Pilzen zu mir hereinwehte. Als ich mich schließlich hervorwagte, hat mich der Älteste auf dem Fußboden des Großen Raums essen lassen und mir mit einem Projektor einen alten Film von der Sol-Erde gezeigt.
    Ich erinnere mich:
    Als ich fünf oder sechs war, wollte die Schäfer-Familie, bei der ich damals lebte, eine Party für mich geben. Es war eine Abschiedsparty – ich sollte am nächsten Tag zu einer anderen Familie kommen, aber ich war noch zu klein, um das zu verstehen.
    Die Mutter dieser Familie, Evie, hat wohl kein Phydus bekommen, denn sie war lustig und nett und wusste immer, was sie sagen oder tun musste, um mein Leben wunderbar zu machen. Ganz anders als ich sie jetzt wiedergesehen habe, kaum lebensfähig mit einem grünen Pflaster auf dem Arm.
    An dem Tag, bevor ich ihre Familie verließ, war dieses Fest – es gab Lammbraten mit Minzsoße, Maiskolben, Honigplätzchen, gebackene Süßkartoffeln mit braunem Zucker und Beerenobst. Und zum Abschluss eine Torte.
    Die Torte war riesig, so groß, dass Evie zum Anschneiden beide Hände brauchte. Das ganze Ding war mit weißem Zuckerguss überzogen und Evie hatte Wir lieben dich, Junior! daraufgeschrieben. Sie hat geweint, als sie mir das Stück mit meinem Namen gegeben hat.
    Gerade, als ich den ersten Bissen davon essen wollte, kam ein alter Mann in die Küche. Ich wusste nicht, wer er war, aber alle anderen schienen es zu wissen, denn sie legten langsam ihre Gabeln hin und rückten vom Tisch ab. Ich tat dasselbe, auch wenn ich nicht wusste, wieso.
    »Lasst euch von mir nicht stören!«, hatte der alte Mann lachend gesagt und die Anspannung war gelöst.
    Evie schnitt auch ein Stück Torte für den alten Mann ab – er bekam das Stück, auf dem lieben stand. Er setzte sich neben mich. Der Mann war sehr lustig – er tat so, als wüsste er nicht, wie man eine Gabel benutzt und ließ es sich von mir zeigen. Er hat sie immer wieder fallen lassen oder verkehrt herum gehalten oder versucht, den Kuchen auf dem Griff zu balancieren.
    Ich weiß noch, wie alle am Tisch gelacht haben – wirklich Tränen gelacht – als es der alte Mann schließlich aufgab und die Torte mit den Fingern aß.
    Er stieß mich an. Ich grinste – ich weiß noch, dass er Zuckerguss auf der Nase hatte –, schnappte mir eine Handvoll Torte und stopfte sie mir in den Mund.
    Und dann haben wir alle Torte

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