Godspeed Bd. 2 - Die Suche
dass ich das nicht tun sollte – aber sie haben es verdient. Sie müssen es sehen.
Ich öffne beide Türen zur Brücke und die Leute strömen hinein. Von vielen sind, angesichts der Maschine, erstaunte Ausrufe zu hören – bis jetzt war dieser Bereich den Leitenden Technikern vorbehalten. Es passen nicht alle auf die Brücke, und Shelby und einige der Techniker sorgen für Ordnung und sperren den Eingang ab, sobald es zu voll wird. Andere Techniker kommen ihnen zu Hilfe und versichern den Wartenden, dass jeder die Chance bekommen wird, es zu sehen.
Ich drücke den Daumen auf den biometrischen Scanner und öffne die Abdeckung über der Kuppel. Die Metallpaneele gleiten langsam zur Seite und enthüllen zuerst ein paar vereinzelte Sterne, die schon bald dem Glühen des Planeten weichen, dessen Licht hoffnungsvoll ins Innere der Godspeed fällt. Ich vergesse die Menschenmenge. Ich sehe nur noch das wirbelnde Weiß über dem Blau und dem Grün. Das ist die Welt, die ganze Welt, und sie gehört uns .
»Wir gehen nach Hause !«, schreie ich.
Eine Sekunde lang herrscht Totenstille auf der Brücke.
Dann kehrt das Chaos zurück – aber an die Stelle von Feindschaften und Wortgefechten sind jetzt Jubelrufe getreten. Einige Leute drängen nach vorn, die Arme ausgestreckt. Sie können nicht einmal die Glaskuppel erreichen, aber trotzdem recken sie sich, als glaubten sie, der Planet würde noch realer, wenn sie ihn berühren. Die Techniker stürmen vor, um die Instrumente zu schützen.
Shelby sorgt dafür, dass immer neue Gruppen hereinkommen. Manchmal müssen die Techniker Gewalt anwenden, um die Leute hinauszutreiben und ziehen die, die sich nicht von dem Anblick losreißen können, an den Armen hinaus. Es gibt aber auch einige, die nicht erfreut reagieren. Victria sieht sich den Planeten nur kurz an, dann bricht sie in Tränen aus und rennt von der Brücke. Ich sehe eine andere Frau, die ein hellgrünes Medipflaster aus ihrer Tasche zieht und es sich auf die Innenseite ihres Handgelenks klebt. Fast sofort weicht jegliche Intelligenz aus ihrem Blick. Andere tuscheln und werfen mir und den Technikern misstrauische, düstere Blicke zu. Sie haben die falschen Sterne gesehen, mit denen der Älteste sie getäuscht hat; glauben sie wirklich, ich könnte einen unechten Planeten hervorzaubern? Vielleicht wollen sie sich aber nur nicht eingestehen, dass es eine Welt außerhalb des Schiffs gibt.
Bartie ist mit der Letzte, der geht.
»Werden wir morgen dort sein?«, fragt er und schaut dabei immer noch auf den Planeten.
»Ja.«
Er schüttelt den Kopf, und bei jeder seiner Bewegungen sehe ich, wie sein Unglaube schwindet. Er ist mit dem Wissen aufgewachsen, dass das Schiff erst landen würde, wenn er ein alter Mann ist, und dann hat man ihm gesagt, dass er den Planeten niemals zu sehen bekommt. Wäre er jetzt nicht direkt vor ihm, würde er niemals glauben, dass er wirklich existiert.
Bartie ballt die Fäuste und lockert sie dann wieder. »Wenn wir landen … wer wird dann der Anführer sein?«
»Ich.«
»Wirst du immer noch der Anführer sein oder einer der Eingefrorenen vom Kryo-Deck?«
Das ist ein ganz neuer Gedanke. Bis jetzt hat niemand weiter gedacht als bis zur eigentlichen Landung auf dem Planeten – ich eingeschlossen. »Ich – äh – ich habe keine Ahnung. Nein – ich werde Anführer sein. Ich bin es auch weiterhin.«
Bartie runzelt die Stirn. »Aber eine Kolonie anzuführen, ist etwas anderes, als das Schiff zu regieren«, sagt er. »Vielleicht brauchen wir einen neuen Regenten.«
Jetzt fängt er an, mich zu ärgern. »Was meinst du damit?«
»Ich möchte, dass du überlegst – wirklich überlegst«, sagt Bartie und kann mir dabei nicht in die Augen sehen, »ob du der beste Anführer bist. Ob du der bist, den wir alle brauchen.«
»Natürlich bin ich das!«
»Und wieso?«
Das sollte eigentlich eine ganz einfach zu beantwortende Frage sein, aber ich muss mir eingestehen, dass ich keine Antwort darauf habe. Ich wurde für diesen Job geboren. Aber das reicht wahrscheinlich nicht. Amy hat mich genug über Geschichte gelehrt, um zu wissen, dass geborene Prinzen nicht immer die besten Herrscher über ihr Königreich sind.
Ich würde zu gern behaupten, dass es außer mir niemanden gibt, der die Führung übernehmen kann.
Aber das stimmt nicht, denn Bartie steht direkt vor mir.
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Amy
Ich ignoriere den Allruf, mit dem Junior alle Leute aufs Regentendeck bestellt. Er will bestimmt nicht, dass ich
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