Godspeed Bd. 2 - Die Suche
konzentrieren.«
»Kein Phydus«, sage ich sofort, aber diesmal fehlt die Entschlossenheit in meiner Stimme. Auch wenn Stevy mit Phydus vergiftet wurde, hat Marae doch recht. Wie viel Zeit haben wir heute verschwendet – nicht nur auf dem Technikdeck, sondern auf dem ganzen Schiff? Wir müssen arbeiten oder wir werden alle sterben. Wir können uns solche Zusammenbrüche wie heute nicht leisten.
»Ältester«, beginnt Marae.
»Junior«, korrigiere ich sofort.
»Ohne Phydus wird alles noch schlimmer werden. Es ist den Leuten egal, was für eine Art Anführer du bist – sie wollen einen anderen. Irgendeinen. Oder gar keinen. Menschen neigen stets dazu, auf das Chaos zuzusteuern. Genau wie dieses Schiff. Wir verlieren die Kontrolle. Deswegen brauchen wir Phydus, denn Phydus ist Kontrolle.«
Ich seufze. »Zugegebenermaßen ist es nicht gut gelaufen, wie ich die Dinge in den letzten drei Monaten geregelt – oder nicht geregelt – habe. Ich dachte, ich könnte mich darauf verlassen, dass alle so weitermachen wie bisher.«
»Erkennst du es denn nicht?«, fragt Marae so einfühlsam, als wäre sie meine Mutter. »Genau deswegen brauchen wir Phydus. Das ist das Erste, was du tun musst, wenn du das Schiff kontrollieren willst wie der Älteste.«
»Will ich nicht.«
»Was willst du nicht?«
»Ich will das Schiff nicht kontrollieren wie der Älteste«, sage ich. »Amy –« Marae runzelt die Stirn, als ich Amys Namen erwähne. Ich spreche trotzdem weiter. »Mit Amys Hilfe habe ich erkannt, dass der Älteste nie die Kontrolle über das Schiff hatte; er hatte nur die Kontrolle über die Drogen. Ich glaube, dass ich es besser kann. Ich hoffe zumindest, dass ich es kann.«
»Dir ist doch klar«, sagt Marae, »dass es ohne Phydus zur Meuterei kommen kann?«
Ich nicke.
Ich weiß es.
Ich wusste es die ganze Zeit.
30
Amy
Ich starre auf die Liste und verfluche Orion lauthals. Schon wieder ein neues Rätsel.
Ich drehe mich um; Victria ist noch im Genlabor. Orions Hinweis war einfach: 1,2,3,4. Zähl zusammen und öffne die Tür. Ich fahre mit dem Finger über die Liste und zähle die Namen. Es sind siebenundzwanzig. Die Türen auf diesem Deck sind mit Kombinationsschlössern versehen – vielleicht geht eine von ihnen auf, wenn ich auf dem Tastenfeld die 27 eingebe.
Meine Hand wandert wie von selbst zur Dra-Kom an meinem Handgelenk. Ich weiß, dass Junior die Tür gern mit mir zusammen öffnen würde. Aber ich drücke nicht auf den Knopf an meiner Dra-Kom. Ich muss wieder daran denken, wie wütend er geklungen hat, als er die Ausgangssperre verhängt hat. Und noch dazu kommt, dass ich versprochen habe, sofort in mein Zimmer zu gehen und die Tür zu verschließen. Wie wütend wird er sein, wenn er merkt, dass ich stattdessen hierher gegangen bin?
Mit der Liste in der Hand eile ich an den anderen Kryo-Kammern vorbei bis in den Gang am hinteren Ende des Decks. Hier sind vier Türen – alle aus dickem Stahl und durch einen Zahlencode verschlossen. Die Luke, die in den Weltraum hinausführt, liegt hinter der zweiten Tür. Ihr Tastenfeld ist mit roter Farbe beschmiert – ein Überbleibsel aus Harleys letzter Nacht. Links und rechts davon sind weitere Türen und am Ende des Ganges ist noch eine, die größer ist als die anderen.
Ich beginne mit der Tür links von der Außenluke. Auf der Tastatur stehen sowohl Zahlen als auch Buchstaben. Ich probiere es zuerst mit 27, aber da blinkt ein Fehlersymbol auf – ERROR: PASSWORT MUSS AUS MINDESTENS 4 ZEICHEN BESTEHEN. Als Nächstes versuche ich es mit 0027, und als das nicht funktioniert, buchstabiere ich es: s-i-e-b-e-n-u-n-d-z-w-a-n-z-i-g . Nichts passiert.
Ich gehe zu den Türen auf der rechten Seite der Luke und probiere meine Passwörter erneut.
Immer noch nichts.
Genervt zähle ich noch einmal die Personen auf der Liste; es sind immer noch siebenundzwanzig. Ich renne zurück zum Fahrstuhl, hole mir einen Floppy, der dort auf dem Tisch liegt und vergleiche die offiziellen Aufzeichnungen mit Orions Liste. Es sind siebenundzwanzig.
Natürlich erkenne ich die Bedeutung dieser Liste – Orion will mich daran erinnern, dass die Zahl der Militärangehörigen unter den Eingefrorenen eine Bedrohung für die auf dem Schiff geborenen Menschen darstellt. Er war der Meinung, diese Vermutung wäre Grund genug, sie alle zu töten, darunter auch meinen Vater. Siebenundzwanzig Militärangehörige von insgesamt hundert Eingefrorenen ist ein recht hoher Prozentsatz, aber
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