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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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trotzdem ist Orion total irre, wenn er denkt, mein Vater könnte jemanden versklaven.
    Ich versuche mein Glück noch einmal bei den blöden Türen, aber sie bleiben verschlossen. Welcher Code auch immer die Türen öffnet – 0027 und s-i-e-b-e-n-u-n-d-z-w-a-n-z-i-g sind es jedenfalls nicht.
    Frustriert fahre ich mit dem Fahrstuhl wieder hoch ins Krankenhaus und starre auf das zerknitterte Blatt Papier, bis ich einschlafe – natürlich hinter verschlossener Tür, wie ich es Junior versprochen habe.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit träume ich von Jason, meinem alten Freund von der Erde. In meinem Traum sind Jason und ich auf der Party, auf der wir uns kennengelernt haben. Obwohl die Party in meiner Erinnerung sehr lustig war und wir viel gelacht und getanzt haben, sehe ich im Traum nur Zigarettenrauch und Typen, die Bier aus roten Plastikbechern auf mich schütten. Jason und ich gehen nach draußen und es fängt an zu regnen – aber es ist kein romantisch warmer Sommerregen. Es ist ein unangenehmer kalter Regen. Mein Vater nannte Regen, der auf der Haut wehtut, wenn er dir mitten ins Gesicht peitscht, immer »beißenden Regen«.
    Als wir uns trennen, sagt Jason: »Jetzt, wo ich dich nicht haben kann, liebe ich dich.«
    Und ich sage: »Du warst mein allererster Freund.«
    Aber Jason schüttelt den Kopf. »Nein, war ich nicht.«
    Und bevor ich herausfinden kann, was er damit meint, küsst er mich.
    Es ist feucht und peinlich und unsere Zähne klacken aufeinander und seine Zunge fühlt sich in meinem Mund an wie die letzten Zuckungen eines sterbenden Fischs.
    Ich fahre zurück – aber es ist nicht Jason, der mich küsst, es ist Luthor.
    »Du wirst mir nie entkommen«, sagt er.
    Ich will wegrennen, aber meine Muskeln sind wie eingefroren. Luthor kommt näher und sein Mund öffnet sich zu einem bösartigen Grinsen. Seine Zähne sind schwarz und verfault. Ich will schreien, aber bevor ich einen Ton herausbringe, presst er seine Lippen auf meine.
    Ich wache auf, vollkommen in die Bettdecke verwickelt. Mein Gesicht ist nass – entweder vom Schweiß oder von den Tränen, ich weiß es nicht. Als ich endlich aus dem Bett komme, renne ich ins Badezimmer und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Ich bin immer noch total außer Atem von dem Schrei, den ich in meinem Albtraum nicht herausgebracht habe.
    Ich umklammere den Rand des Waschbeckens mit beiden Händen und kann nicht aufhören zu zittern. Ich erkenne das Mädchen im Spiegel nicht. Rote Augen, aufgesprungene Lippen, panischer Gesichtsausdruck. Ich gestehe mir nur ungern ein, wie viel Angst ich vor Luthor habe. Ich schlinge die Arme ganz fest um meinen Oberkörper. Wieso habe ich solche Angst vor ihm, obwohl er mir doch eigentlich noch gar nichts getan hat? Ist fast Grund genug, um Angst zu haben?
    Ja.
    Plötzlich ist mir das Zimmer zu eng. Am liebsten würde ich jetzt einfach losrennen, aber ich fürchte mich vor dem, was in der Dunkelheit lauert, dort, wo es nur Kühe und Schafe gibt und wo mich niemand schreien hört.
    Und das macht mich richtig sauer.
    Es ist nicht nur Luthor, obwohl er die schlimmste Bedrohung darstellt. Es sind auch die Blicke, die ich in der Stadt kassiert habe. Wie manche von ihnen immer noch zurückzucken, wenn sie mich sehen. Es ist eine Tatsache, dass es mir für den Rest meines Lebens so ergehen wird und ich dagegen ebenso wenig etwas tun kann, wie ich dem Motor dieses Schiffs Starthilfe geben kann. Ich kann nicht ändern, wer ich bin oder woher ich komme, und genau deswegen werden sie mich nie akzeptieren.
    Ich ziehe mich eilig an – so eilig, dass ich mein Kopftuch verknote und noch einmal von vorn beginnen muss. Ich vermute zwar, dass zu dieser frühen Stunde noch niemand wach ist, aber ich will kein Risiko eingehen. Ich schiebe das Papier, das ich gefunden habe, tief in meine Hosentasche. Dann verlasse ich den Raum, schleiche durch das Krankenhaus und hinaus auf den Pfad. Als ich am Podest der Schwerkraftröhre ankomme, schaltet sich die Solarlampe ein, und ich bin einen Moment lang geblendet. Ich drücke auf die Dra-Kom an meinem Handgelenk und aktiviere die Schwerkraftröhre.
    Der Sog der Röhre setzt ein, und einen Moment lang überlege ich, wieder abzuspringen, Junior anzurufen und ihn zu bitten, dass er mich abholt. Ein paar Strähnen meiner Haare wehen hoch. Dann wird der Wind stärker und meine Haare lösen sich aus meinem Kopftuchknoten. Eine Sekunde lang berühren meine Zehen noch den Boden, während meine Fersen schon

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