Godspeed | Die Ankunft
Shuttle hatten. Andere Hybriden tauchen aus den Räumen auf, die in die Seitenwände des Tunnels eingebaut wurden, und begrüßen ihn.
Er ist wirklich ihr Anführer. Mit Ende zwanzig oder Anfang dreißig dürfte es ihm nicht leichtgefallen sein, die Führung der gesamten Hybridpopulation zu übernehmen. Ich frage mich, wie es wohl für ihn war, zu merken, dass er die Kontrolle über seinen Geist hatte, seine Eltern aber nicht. Sich zu verstecken, wenn die FRX kam, um die Glasfabriken zu inspizieren. Sein Volk retten zu wollen, ein Volk, das nicht einmal weiß, dass es versklavt wurde.
Er erinnert mich sehr an Junior.
Ich beiße mir innen auf die Wange, bis ich Blut schmecke. Ich werde
nicht
weinen. Ich werde mir
keine
Regung anmerken lassen. Nicht jetzt. Nicht hier.
Chris kommt mir immer näher. Das ist mir unangenehm, aber das werde ich ihn auf keinen Fall spüren lassen. Ich drehe ihm den Rücken zu, was ihn jedoch nicht daran hindert, mit mir zu sprechen.
»Merkst du, wie Bartie vor dir zurückweicht?«, flüstert Chris so leise, dass es kein anderer hören kann. Auch
ich
hätte es nicht gehört, wenn meine Ohren mich nicht so verraten und mit dem Hörvermögen einer Fledermaus gestraft hätten.
Ich ignoriere ihn.
»Ich habe gesehen, wie sie dich bisher behandelt haben. Wie lange hast du bei ihnen gelebt? Monate? Und die haben immer noch Angst vor deiner vollkommen normalen Hautfarbe. Was werden sie jetzt von dir denken?«
Ich schaue stur geradeaus.
»Sie werden dich nie akzeptieren.«
Ich fahre herum und packe Chris am Kragen. Das geht so schnell, dass Bartie erschrocken aufschreit und zurückspringt bis zur Wand, was uns viel Platz verschafft.
»Wenn du mir was zu sagen hast«, knurre ich, »dann sag es mir ins Gesicht, du Feigling.«
Chris reißt sich los und einen Moment lang sieht er wütend aus. Aber als er dann sein Hemd wieder glattstreicht, sagt er wie als Entschuldigung für mich: »Reizbarkeit. Eine Nebenwirkung der Hybridisierung. Mit anderen Worten – dein Körper produziert mehr Adrenalin, was dich eher kämpfen lässt.«
Ich verrate ihm nicht, dass ich schon immer der Typ war, der eher gekämpft hat.
»Es gibt einen Unterschied zwischen dir und mir«, verkünde ich eisig. »Ich weiß, dass mich meine Leute eines Tages wieder akzeptieren
werden
. Sie haben es schon einmal getan. Sie werden vergessen, wie ich aussehe, und sich daran erinnern, wer ich bin und was ich tue. Sie werden jedoch nie vergessen, was du getan hast. Du bist es, den sie niemals akzeptieren werden. Nicht ich.«
Chris schlägt die Augen nieder.
Ich kann
fühlen
, wie sich meine Muskeln immer weiter verändern, immer stärker werden, während mein Körper sich damit abfindet, nicht mehr nur menschlich zu sein. Und ich kann Chris’ Angst riechen.
Chris flüstert mir keine weiteren Gemeinheiten zu. Aber eines muss ich mir eingestehen: Ich bin so wütend geworden, weil er im Grunde recht hat.
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75 Amy
Schließlich führt uns Zane in die Labors, und wie ich bereits vermutet habe, sind sie viel besser ausgestattet, als die schlichten Tunnel vermuten lassen.
In der Mitte eines Labors steht ein Mann. Er starrt dumpf vor sich hin.
»Hinsetzen«, sagt Zane, und der Mann setzt sich sofort. Dabei landet er beinahe neben dem Stuhl, den Chris hastig hinter ihn stellt.
Ich wedle mit einer Hand vor dem Gesicht des jungen Mannes herum. Keine Reaktion. Er ist vollkommen weggetreten.
»Wir experimentieren mit verschiedenen Methoden der allgemeinen Verteilung«, berichtet Zane, »deswegen verabreichen wir dieser Testperson das Gegengift über die Wasserversorgung.«
Ich grinse Bartie an, der – nach kurzem Zögern – zurückgrinst. Das war unsere Idee, inspiriert von der Wasserpumpe, die Phydus auf der
Godspeed
verbreitet hat.
Zane gibt dem Mann ein großes Glas Wasser. »Trink«, fügt er hinzu, als der Mann nichts anderes tut, als es anzustarren.
Der Mann stürzt das Wasser hinunter.
Zane und Chris überwachen seine Vitalfunktionen am Computer, aber Bartie und ich wissen, worauf man achten muss, wenn die Wirkung von Phydus nachlässt, und deshalb sind wir die Ersten, die bemerken, wie das Leben in seine Augen zurückkehrt.
»Was ist hier los?«, fragt der Mann, und da er das Sprechen nicht gewohnt ist, klingt seine Stimme ganz rau.
»Du bist unter Drogen gesetzt worden – dein ganzes Leben lang«, erklärt ihm Chris freundlicher, als ich ihn je erlebt habe. »Und jetzt bekommst du deine Selbstbestimmung
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