Goebel, Joey
das?«
»Eine Firma. Sallie Mae ist die Firma, von der ich mein Studiendarlehen habe. Ich bin mit meinen Zahlungen schwer im Verzug.«
»Dabei könnte ich dir helfen.«
»Das würde ich nicht zulassen. Ich muss nur einiges verändern. In Bashford komme ich nicht weiter.«
»Das meinst du jetzt ernst, oder?«
» Bitter ernst. Ich stecke so viel Energie in diese Band und in meine Drehbücher, doch solange ich hierbleibe, bringe ich es damit einfach zu nichts. Höchstens zur Vertretungslehrerin.«
»Gibt’s hier denn gar nichts, was dich zum Bleiben bewegen könnte?«
»Und ob. Die Leute, die mir wichtig sind. Aber du weißt ja, wie es ist. Was soll ich sagen?«
»Ich weiß es nicht. Was sagst du denn?«
»Ich gehe hier vor die Hunde.«
Blue Gene wünschte, er hätte diesen Anruf nicht gemacht. Während all der Trauer und Frustrationen der letzten Woche war Jackie Stepchild für ihn immer der Lampion am� Ende seines Tunnels gewesen. Was er für seine Familie gehalten hatte, gab es nicht mehr, doch es gab immer die Aussicht auf eine neue Familie – nicht dass er hoffte, Jackie zu schwängern, doch bei Cheyenne hatte er gelernt, dass eine [456] neue Art von Familie zwischen zwei Menschen entstehen kann, wenn sie einander nur intensiv genug lieben. Und vielleicht würde es mit ihm und Jackie nie etwas werden; er hatte wenig Hoffnung, aber es war eine angenehme Vorstellung. Auch wenn sie nicht zusammenkommen sollten, fand Blue Gene die Vorstellung tröstlich, dass sie in Bashford war. Wie schlimm konnte ein Ort sein, wenn jemand wie Jackie Stepchild dort lebte? Und jetzt drohte sie, irgendwohin zu ziehen, wo es ihrer Meinung nach besser war.
Plötzlich kam Blue Gene eine Idee, die er zuerst als albern verwarf, doch schließlich fand er sie so aufregend, dass er immerzu daran denken musste, sogar nachdem er ins Bett gegangen war. Um drei Minuten nach halb zwölf warf er mit einem »Was soll’s, scheißegal« die Bettdecke beiseite und ging runter in den Hotelladen, wo er die Lokalzeitung kaufte, den Register. Er warf alles weg bis auf den Anzeigenteil, den er in seinem Zimmer durchblätterte. Als er das Gesuchte nicht fand, schnappte er sich die Schlüssel für seinen Pick-up und brach zum Super Wal-Mart auf, wo er den Vorraum betrat, ein kostenloses Immobilienblatt aus dem Metallständer nahm und wieder ging. In seinem Truck überflog er das Blatt, fand aber immer noch nichts Passendes.
Wieder in seinem Hotelzimmer, während im Fernsehen Conan O’Briens Talkshow ohne Ton und in der Stereoanlage Jackies CD lief, überlegte er, welche Möglichkeiten es gab. Im Stadtzentrum wäre cool; er und Jackie mochten beide das altmodische Flair. Doch in vielen Häusern wohnten oben Leute, die sich über den Lärm beschweren würden. Die River Town Road lag zentral, und hier gab es jede Menge große Gebäude, aber welche standen leer? Er beschloss, am [457] nächsten Tag kreuz und quer durch die Stadt zu fahren und nach ZU-VERMIETEN - oder ZU-VERKAUFEN -Schildern Ausschau zu halten, denn spontan fiel ihm nur ein Gebäude ein, das mit Sicherheit zur Verfügung stand.
Dann wurde ihm klar, dass er kein Haus auf der ganzen Welt lieber besitzen würde.
Im letzten Jahr war das Gebäude, in dem sich einmal der zweite Wal-Mart in der Geschichte Bashfords befunden hatte, einfach nur das gewesen – ein Gebäude. In dessen Innerem befanden sich fast zehntausend Quadratmeter schmutzig weißer Fliesen, die sich über eine weite Fläche bis zu nackten, beigefarbenen Wänden erstreckten. Hier gab es keine Senioren als Begrüßer, keine alten Schulfreunde, die sich zufällig begegneten, keine Dauerniedrigpreise, gar nichts. Die Tür war verrammelt, und keine Menschenseele kam hinein. Niemals. Zum Glück für die Verbraucher von Bashford und aller Countys in der Umgebung hatte man diesen Wal-Mart nur aufgegeben, weil ein noch größerer eröffnet wurde. Somit war das inoffizielle Kapitol der Stadt nur verlegt und vergrößert, nicht auf Dauer entfernt worden, was undenkbar gewesen wäre.
Für die Autofahrer auf dem Highway 81 war es eine traurige Entdeckung, wie rasch eine neue Geisterstadt in Bashford Commons entstanden war, dem Einkaufszentrum, dessen zentrale Attraktion der Wal-Mart gewesen war. Das Gleiche war geschehen, als Bashfords erster Wal-Mart (der jetzige Flohmarkt von Commonwealth County) zugunsten dieses Gebäudes geschlossen worden war. Bashford Commons hatte seine Läden ausgespuckt und in Gestalt eines [458] neuen,
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