Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
befindet, nimmt es anders wahr, als es sich selbst wahrnimmt. Es gibt also noch immer eine Meta-Theorie — einen Blick von außen — sogar für eine Theorie, die innerhalb ihrer selbst „über sich selbst denken“ kann. Wir werden sehen, daß es Theorien gibt, die „über sich selbst denken“ können. Wir werden sogar bald ein System sehen, in dem das völlig zufällig geschieht, ohne daß wir es beabsichtigt hätten! Und wir werden sehen, was das für Auswirkungen hat. Doch während unseres Studiums der Aussagenlogik wollen wir uns an die einfachsten Vorstellungen halten: keine Vermischung der Ebenen!
Trugschlüsse können entstehen, wenn man nicht sorgfältig zwischen der Arbeit in dem System (dem M-Modus) und dem Denken über das System (dem I-Modus) unterscheidet. Zum Beispiel könnte die Annahme völlig einleuchtend sein, daß, da < P ∨~ P > (dessen Halbinterpretation „entweder P oder nicht P “ ist) ein S ATZ ist, dann entweder P oder ~ P ein S ATZ sein muß. Aber damit hat man sich gründlich getäuscht: keines dieser letzten Paare ist ein S ATZ . Im allgemeinen ist es gefährlich anzunehmen, daß Symbole zwischen den verschiedenen Ebenen hin und her geschoben werden können — in unserem Falle die Sprache des formalen Systems und seiner Meta-Sprache (Deutsch).
Gedanken über die Stärken und die Schwächen des Systems
Wir haben nunmehr ein Beispiel eines Systems mit dem Zweck kennengelernt, einen Teil der Architektur des logischen Denkens darzustellen. Es sind nur wenige Begriffe, mit denen dieses System zu tun hat, und es sind sehr einfache, präzise Begriffe. Doch gerade die Einfachheit und Präzision der Aussagenlogik machen sie für den Mathematiker so anziehend. Dafür gibt es zwei Gründe. 1) Sie kann um ihrer eigenen Eigenschaften willen erforscht werden, genauso wie in der Geometrie einfache, starre Figuren erforscht werden. Man kann sie variieren, indem man verschiedene Symbole, Schlußregeln, Axiome oder Axiomenschemata, usw. verwendet. (Übrigens ähnelt die hier vorgelegte Version der Aussagenlogik einer anderen, die G. Gentzen in den frühen dreißiger Jahren verwendet hat. Es gibt andere Versionen, bei denen nur eine Schlußregel Verwendung findet — üblicherweise die Abtrennung — und bei der es verschiedene Axiome oder Axiomenschemata gibt.) Das Studium der Methoden, aussagenlogische Folgerungen in eleganten formalen Systemen durchzuführen, ist ein attraktives Kapitel der reinen Mathematik. 2) Die Aussagenlogik läßt sich leicht erweitern, um andere fundamentale Aspekte des folgerichtigen Denkens einzubeziehen. Einige, davon werden im nächsten Kapitel zur Sprache kommen, wo wir die Aussagenlogik mit allem Drum und Dran in ein viel größeres und tiefer reichendes System eingliedern werden, in dem verfeinerte zahlentheoretische Folgerungen möglich sind.
Beweise — Ableitungen
In gewisser Hinsicht ist die Aussagenlogik dem folgerichtigen Denken sehr ähnlich; man sollte aber ihre Regeln nicht mit denen des menschlichen Denkens gleichsetzen. Ein Beweis ist etwas Informales oder, in anderen Worten, das Ergebnis normalen Nachdenkens, geschrieben für Menschen in menschlicher Sprache. In Beweisen können alle möglichen komplexen Eigenschaften des Denkens verwendet werden, und obschon man „fühlt“, daß sie richtig sind, kann man sich fragen, ob sie logisch zu verteidigen sind. Das ist das eigentliche Ziel der Formalisierung. Eine Ableitung ist eine künstlich hergestellte Entsprechung des Beweises, und mit ihr soll das gleiche Ziel erreicht werden, aber über eine logische Struktur, deren Methoden nicht nur alle explizit, sondern auch alle sehr einfach sind.
Wenn — und das ist üblicherweise der Fall — eine formale Ableitung verglichen mit dem entsprechenden „natürlichen Beweis“ überaus langwierig ist, dann ist das nicht zu ändern. Es ist der Preis, den man dafür entrichten muß, daß jeder Einzelschritt so einfach ist. Es geschieht häufig, daß eine Ableitung und ein Beweis in komplementärer Bedeutung des Wortes „einfach“ sind. Der Beweis ist einfach, weil jeder Schritt richtig „klingt“, obwohl man vielleicht gar nicht weiß warum; die Ableitung ist einfach, weil jeder der Myriaden von Schritten als so trivial angesehen wird, daß an ihm nichts auszusetzen ist, und da die ganze Ableitung auf solchen trivialen Schritten beruht, sieht man sie als fehlerfrei an. Jeder dieser beiden Typen von Einfachheit bringt jedoch einen charakteristischen Typus
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