Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
fallen lassen, schließlich ist es ein echter Zen-Kōan. Der Rest lautet:
Beide Mönche fuhren mit ihrer Meditation fort, als hätte er nicht gesprochen. Gantō ließ die Axt fallen und sagte: „Ihr seid wahrhaft Zen-Schüler“. Er kehrte zu Tokusan zurück und erzählte den Vorfall. „Ich sehe deine Seite sehr gut“, pflichtete Tokusan bei, „aber sag mir, wie steht es mit ihrer Seite?“ „Tozan kann sie zulassen, aber unter Tokusan sollten sie nicht zugelassen werden.“ 3
Sehen Sie meine Seite gut? Wie steht es mit der Zen-Seite?
Gibt es ein Entscheidungsverfahren für S ÄTZE ?
Die Aussagenlogik gibt uns eine Anzahl von Regeln zur Erzeugung von Aussagen, die in allen denkbaren Welten wahr sind. Das ist der Grund, warum alle S ÄTZE so einfach klingen; sie scheinen bar jeden Inhalts zu sein! So gesehen, sieht die Aussagenlogik wie eine Zeitvergeudung aus, da das, was sie uns sagt, vollkommen trivial ist. Doch tut sie das, indem sie die Form von allgemein wahren Aussagen spezifiziert, und das wirft ein neues Licht auf die Kernwahrheiten des Weltalls: Sie sind nicht nur fundamental, sondern auch gesetzmäßig: Sie können mit einem winzigen Satz typographischer Regeln erzeugt werden. Anders ausgedrückt, sie sind alle „vom selben Stoff“. Man kann sich fragen, ob sich das Gleiche von Zen-Kōans sagen ließe: Könnten sie alle durch einen einzigen Satz typographischer Regeln erzeugt werden?
An diesem Punkt ist es angebracht, die Frage nach einem Entscheidungsverfahren aufzuwerfen. Das heißt: Gibt es eine mechanische Methode, um Nicht-S ÄTZE von S ÄTZEN zu unterscheiden? Wenn ja, würde das bedeuten, daß die Menge der S ÄTZE der Aussagenlogik nicht nur rekursiv aufzählbar, sondern auch rekursiv ist. Es stellt sich heraus, daß es ein interessantes Entscheidungsverfahren gibt: die Methode der Wahrheitstabellen. Es würde zu weit führen, sie hier zu beschreiben, man findet sie in fast jedem Lehrbuch der Logik. Und wie steht es mit Zen-Kōans? Könnte man sich ein mechanisches Entscheidungsverfahren vorstellen, das echte Zen-Kōans von anderen Dingen unterschiede?
Wissen wir, ob das System widerspruchsfrei ist?
Bisher haben wir lediglich angenommen, daß S ÄTZE , wenn in der angegebenen Weise interpretiert, wahre Aussagen seien. Wissen wir denn, daß das der Fall ist? Können wir es beweisen? Das ist einfach eine andere Art zu fragen, ob die beabsichtigten Interpretationen („und“ für „∧“ usw.) die „passive Bedeutung“ der Symbole genannt zu werden verdienen? Man kann das von zwei sehr verschiedenen Standpunkten aus betrachten, den man den „klugen“ und „unklugen“ nennen könnte. Ich will nun diese beiden Seiten so, wie ich sie sehe, darlegen und ich personifiziere sie als „Frl. Klug“ und „Frl. Unklug“.
Frl. Klug: Daß alle S ÄTZE sich bei der beabsichtigten Interpretation als wahr erweisen, werden wir erst wissen, wenn wir es beweisen können. Das ist das behutsame, überlegte Verfahren.
Frl. Unklug: Im Gegenteil. Es ist offensichtlich, daß alle S ÄTZE sich als wahr erweisen werden. Bezweifelst du das, dann schau dir noch einmal die Regeln des Systems an. Du wirst sehen: Jede Regel bewirkt, daß das Symbol genau so handelt, wie das von ihm repräsentierte Wort verwendet werden sollte. Zum Beispiel läßt die Verbindungsregel das Symbol „∧“ so handeln wie „und“ handeln sollte, die Abtrennungsregel läßt „⊃“ so handeln, wie es sollte, wenn es für „impliziert“ oder „wenn-dann“ steht, usw. Wenn du nicht wie Herr Schildkröte bist, wirst du in jeder Regel eine Kodifizierung eines Musters finden, das du in deinem eigenenDenken verwendest. Wenn du also deinen eigenen Denkmustern vertraust, dann mußt du glauben, daß alle S ÄTZE sich als wahr erweisen. So sehe ich es. Ich brauche gar keinen weiteren Beweis. Wenn du glaubst, daß ein gewisser S ATZ sich als falsch erweist, dann denkst du vermutlich, daß eine Regel falsch sein muß. Zeig mir welche.
Frl. Klug: Ich bin nicht sicher, daß eine fehlerhafte Regel vorliegt, kann dir also auch keine zeigen. Immerhin kann ich mir das folgende Szenarium vorstellen. Die Regeln befolgend stößt du auf einen S ATZ , nennen wir ihn x. Gleichzeitig stoße ich, ebenfalls die Regeln befolgend, auf einen anderen S ATZ , und das ist zufällig ~x. Kannst du dich nicht zwingen, dir das vorzustellen?
Frl. Unklug: Nun gut; nehmen wir an, es sei passiert. Warum stört dich das? Oder anders gesagt: angenommen, beim
Weitere Kostenlose Bücher