Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Frau untersucht.“
Schildkröte: Mit einem solchen Talent für Untersuchungen ist es ein Jammer, daß Jōshū nicht vom MAD angestellt wurde. Sagen Sie mir: Was Sie taten, könnte ich auch tun, wenn ich die Regeln der Kunst der Zen-Fäden befolgte. Stimmt's?
Achilles: Stimmt.
Schildkröte: Müßte ich diese Operationen in genau der gleichen Reihen FOLGE wie Sie durchführen?
Achilles: Nein, die Reihenfolge spielt keine Rolle.
Schildkröte: Natürlich erhielte ich dann einen anderen Faden und deshalb einen anderen Kōan. Müßte ich nun die gleiche Z AHL von Schritten ausführen wie Sie?
Achilles: Keineswegs. Es geht mit jeder beliebigen Zahl von Schritten.
Schildkröte: Dann gibt es aber eine unendliche Anzahl von Fäden mit Buddha-Natur, und infolgedessen eine unendliche Zahl von echten Kōans! Wie können Sie wissen, daß es einen Faden gibt, der mit Ihren Regeln NICHT hergestellt werden kann?
Achilles: Oh ja — zurück zu den Dingen, die der Buddha-Natur entbehren. Es gibt sich so, daß wenn man erst einmal weiß, wie man Fäden MIT Buddha-Natur machen kann, man auch Fäden OHNE Buddha-Natur machen kann. Das ist etwas, was mir mein Meister gleich zu Beginn einhämmerte.
Schildkröte: Wunderbar. Und wie geht das vor sich?
Achilles: Ganz einfach. Hier zum Beispiel: ich mache einen Faden, der der Buddha-Natur entbehrt ...
(Er nimmt den Faden, aus dem der vorhergehen de Kōan herausgezogen worden war, und macht einen winzigen Knoten an einem Ende, den er mit Daumen und Zeigefinger eng zusammenzieht.)
Hier — keine Buddha-Natur.
Schildkröte: Sehr erhellend. Man braucht also nur einen Knoten hinzuzufügen? Wie weiß man dann, daß der neue Faden der Buddha-Natur entbehrt?
Achilles: Wegen der Fundamentaleigenschaft der Buddha-Natur. Wenn zwei wohlgeformte Fäden mit Ausnahme eines Knotens am Ende identisch sind, dann kann nur EINER von ihnen Buddha-Natur besitzen. Über den Daumen gepeilt, wie es mein Meister mir beigebracht hat.
Schildkröte: Ich möchte noch gern etwas anderes wissen: Gibt es Fäden mit Buddha-Natur, die sich durch Befolgung der Regeln für Zen-Fäden, gleichgültig in welcher Reihenfolge, nicht erreichen lassen?
Achilles: Ich gebe es höchst ungern zu — aber was diesen Punkt angeht, bin ich selber etwas verwirrt. Zunächst gab mir mein Lehrer sehr deutlich zu verstehen, daß die Buddha-Natur durch den Start in einer der fünf zulässigen Ausgangsstellungen und die Entwicklung des Fadens gemäß den zulässigen Regeln DEFINIERT werde. Später jedoch sagte er noch etwas über den „Satz“ von irgendjemand. Ich habe es nie richtig begriffen. Vielleicht habe ich auch das, was er sagte, mißverstanden. Aber was er auch immer gesagt haben mag — ich begann zu zweifeln, ob diese Methode ALLE Fäden mit Buddha-Natur erfaßt. Soviel mir jedenfalls bekannt ist, tut sie das. Aber wissen Sie: Buddha-Natur ist eine sehr schwer zu fassende Sache.
Schildkröte: So viel entnahm ich auch Jōshūs „MU“. Ich frage mich ...
Achilles: Was?
Schildkröte: Diese beiden Kōans — ich meine den Kōan und seinen Un-Kōan — die lauten: „Dieser Geist ist Buddha“ und „Dieser Geist ist nicht Buddha“ — wie sehen sie aus, wenn man sie mithilfe des Geometrischen Codes in Fäden umwandelt?
Achilles: Das will ich Ihnen gerne zeigen.
(Er schreibt die phonetische Transkription nieder und nimmt dann aus seiner Tasche ein paar Fäden, die er sorgfältig Zoll um Zoll faltet, indem er den Symbol-Tripletten folgt, die in dem seltsamen Alphabet geschrieben sind. Dann legt er die Fäden nebeneinander .)
Sehen Sie — hier ist der Unterschied!
Schildkröte: Sie sind sich tatsächlich sehr ähnlich. Ich glaube, es gibt nur einen Unterschied: Einer von den beiden hat einen kleinen Knoten am Ende!
Achilles: Bei Jōshū, recht haben Sie!
Schildkröte: Aha, jetzt verstehe ich, warum Ihr Meister argwöhnisch ist.
Achilles: Tatsächlich?
Schildkröte: Nach Ihrer Daumenpeilung kann HÖCHSTENS EINER eines solchen Paares Buddha-Natur besitzen, daher weiß man sofort, das einer der Kōans falsch ist.
Achilles: Das sagt aber nicht, welcher. Ich — und auch mein Meister — habe mich bemüht, diese zwei Fäden durch die Anwendung der Regeln für die Manipulation von Fäden zu erzeugen — ohne Erfolg. Keiner kommt jemals dabei heraus. Es ist wirklich frustrierend. Manchmal fragt man sich ...
Schildkröte: Sie meinen, man fragt sich, ob überhaupt einer der Fäden Buddha-Natur hat? Vielleicht hat keiner
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