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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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wird sich dagegen sträuben und überschwappen. Es könnte also scheinen, daß alle Bemühungen, Zen zu erklären, völlige Zeitverschwendung sind. Doch ist das nicht die Haltung von Zenmeistern und -schülern. Zum Beispiel bilden Zen-Kōans, obgleich sie rein verbal sind, einen zentralen Bestandteil des Zenstudiums. Kōans sind angeblich „Auslöser“, die, obgleich sie als solche nicht genug Information enthalten, um Erleuchtung zu gewährleisten, möglicherweise genügen, um die Mechanismen in unserem Gehirn aufzuschließen, die zur Erleuchtung führen. Im allgemeinen jedoch ist die Haltung von Zen die, daß Wort und Wahrheit sich nicht miteinander vertragen, oder zumindest, daß Worte die Wahrheit nicht einfangen können.
Zen-Meister Mumon
    Um das möglicherweise in übersteigerter Form auszudrücken, verfaßte der Mönch Mumon („Kein Tor“) im 13. Jahrhundert achtundvierzig Kōans, jeden mit einem Kommentar und mit einem kleinen „Gedicht“. Dieses Werk heißt „Das torlose Tor“ oder der Mumonkan („Schranke ohne Tor“). Es ist interessant festzustellen, daß die Lebensspanne von Mumon und die von Fibonacci fast genau übereinstimmen: Mumon lebte von 1183 bis 1260 in China, Fibonacci von 1180 bis 1250 in Italien. Für diejenigen, die glauben, daß sie Kōans sinnvoll deuten oder „verstehen“ können, wenn sie in den Mumonkan schauen, ist der Mumonkan vielleicht ein böser Schock, denn die Kom-

Abb. 46 . Drei Welten , von M C. Escher (Lithographie, 1955).
    mentare und Gedichte sind genau so undurchsichtig wie die Kōans, die sie angeblich erklären sollen. Sehen wir uns das folgende Beispiel an: 1
    Kōan:
    Hogen vom Seiryo-Kloster war dabei, vor dem Essen einen Vortrag zu halten, als er feststellte, daß der Bambusvorhang, den man für die Meditation heruntergelassen hatte, nicht hochgerollt worden war. Er wies darauf hin. Zwei Mönche aus der Zuhörerschaft erhoben sich und rollten ihn hoch.
    Hogen, der sie beide in ihrer körperlichen Bewegung beobachtete, sagte: „Der erste Mönch hat es, der zweite nicht.“
    Mumons Kommentar:
    Ich möchte euch fragen: Welcher dieser zwei Mönche hat es und welcher nicht? Wenn einer von euch ein Zen-Auge hat, wird er den Fehler auf des Lehrers Seite sehen. Ich jedoch diskutiere nicht über „haben“ und „nicht haben“.
    Mumons Gedicht:
    Wenn der Vorhang aufgerollt ist, öffnet sich der große Himmel,
    Doch ist der Himmel nicht in Einklang mit Zen.
    Am besten vergißt man den großen Himmel
    Und zieht sich von jedem Wind zurück.
    Oder dann der folgende: 2
    Kōan:
    Goso sagt: „Wenn ein Büffel das Gehege verläßt und sich an den Rand des Abgrunds begibt, so bringt er seine Hörner und seinen Kopf und seine Hufe durch, warum jedoch nicht auch den Schwanz?“
    Mumons Kommentar:
    Wenn jemand hierfür das rechte Auge hat und ein Zen-Wort sagt, so ist er reif, die vier Geschenke zurückzuerstatten; und nicht nur das, er kann auch alle Lebewesen, die unter ihm stehen, erretten. Wenn er aber solch ein wahres Zen-Wort nicht sagen kann, so sollte er zu seinem Schwanz zurückkehren.
    Mumons Gedicht:
    Wenn ein Büffel davonläuft, wird er in den Graben fallen;
    Wenn er zurückkehrt, wird er geschlachtet.
    Dieser kleine Schwanz
    Ist ein sehr seltsames Ding.

    Abb. 47 . Tautropfen , von M. C. Escher (Kupferstich, 1948).
    Der Leser wird wohl zugeben müssen, daß Mumon nicht gerade alles klarstellt. Man könnte sagen, daß die Metasprache (in der Mumon schreibt) sich von der Objektsprache (der Sprache des Kōans) nicht sehr stark unterscheidet. Einige behaupten, daß Mumons Kommentare vorsätzlich idiotisch sind, weil sie vielleicht zeigen sollen, wie nutzlos es ist, seine Zeit mit Geschwätz über Zen zu verbringen. Doch Mumons Kommentare lassen sich auf mehr als nur einer Ebene verstehen. Man schaue sich das folgende Beispiel an: 3
    Kōan:
    Ein Mönch fragte Nansen: „Gibt es eine Lehre, die kein Meister je zuvor gelehrt hat?“
    Nansen sagte: „Ja, das gibt es.“
    „Was ist es?“ fragte der Mönch.
    Nansen antwortete: „Es ist nicht Geist, es ist nicht Buddha, es ist nicht Ding.“
     

Abb. 48 . Andere Welt , von M. C. Escher (Holzstich und Holzschnitt, 1947).
    Mumons Kommentar:
    Der alte Nansen gab seine Schatzwörter preis. Er muß sehr verstört gewesen sein.
    Mumons Gedicht:
    Nansen war zu freundlich und verlor seinen Schatz.
    Wahrlich, Wörter haben keine Kraft.
    Und wenn die Berge zum Meer werden,
    Wörter können den Geist des anderen nicht

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