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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Inneren schlief die Begeisterung, aber Sie sind nicht imstande, sie aus dem Unbewußten herauszufischen.
    Krebs: Genau! Die Möglichkeit, die Begeisterung wieder zu erleben, ist auf unbekannte Weise in meiner Gehirnstruktur „codiert“, aber ich kann sie nicht beliebig herbeirufen und muß auf einen Zufall warten, um sie auszulösen.
    Achilles: Ich habe eine Frage zum Thema Fuge, die zu stellen mich in eine gewisse Verlegenheit bringt, aber da ich als Fugen-Hörer ein Neuling bin, möchte ich doch fragen, ob vielleicht einer von Euch besser beschlagenen Hörern von Fugen mir helfen könnte ...?
    Schildkröte: Ich biete Ihnen gerne mein bescheidenes Wissen an, wenn ich Ihnen damit dienen kann.
    Achilles: Oh, vielen Dank. Nehmen wir die Frage unter einem anderen Gesichtspunkt in Angriff. Kennen Sie das Blatt Würfel mit Bändern von M. C. Escher?
    Schildkröte: Es zeigt kreisförmige Bänder, die blasenähnliche Ausbuchtungen enthalten, die, sobald man sich dafür entschieden hat, daß es Ausbuchtungen sind, sich in Einkerbungen zu verwandeln scheinen — und umgekehrt.
    Achilles: Genau!

    Abb. 56 . Würfel mit Bändern , von M C. Escher (Lithographie, 1957).
    Krebs: Ich kann mich an das Bild erinnern. Diese kleinen Blasen scheinen je nach der Richtung, aus der man sie anschaut, immer zwischen konvex und konkav hin- und herzuspringen. Es gibt keine Möglichkeit, sie gleichzeitig als konvex und konkav anzusehen — irgendwie scheint unser Gehirn es nicht zuzulassen. Es gibt zwei sich gegenseitig ausschließende „Modi“, in denen man die Blase verstehen kann.
    Achilles: Eben! Nun, anscheinend habe ich zwei irgendwie analoge Modi entdeckt, in denen ich eine Fuge anhören kann, und zwar die folgenden: Entweder verfolgt man jeweils eine Einzelstimme, oder man hört die Gesamtwirkung von allen zusammen, ohne die eine von der anderen zu trennen. Ich habe diese beiden Modi ausprobiert, und zu meiner großen Enttäuschung schließt der eine den anderen aus. Es liegt einfach nicht in meiner Macht, den individuellen Stimmennachzugehen und gleichzeitig die Gesamtwirkung zu hören. Ich merke, daß ich zwischen einem Modus und dem anderen mehr oder weniger spontan und willkürlich hin- und herspringe.
    Ameisenbär: Genau wie wenn man die magischen Bänder anschaut, nicht wahr?
    Achilles: Ja, ich frage mich ... stempelt mich diese Beschreibung der beiden Arten, die Fuge anzuhören, als einen unverkennbar naiven Zuhörer ab, dem es auch nicht entfernt möglich ist, die tieferliegenden Wahrnehmungsweisen jenseits seines Horizonts zu begreifen?
    Schildkröte: Durchaus nicht, Achilles. Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber auch ich merke, wie ich von einem Modus zum anderen hin- und hergeschoben werde, ohne daß ich eine bewußte Kontrolle darüber ausübe, welcher Modus nun dominieren soll. Ich weiß nicht, ob unsere anderen Freunde etwas Ähnliches erfahren haben.
    Krebs: Aber ganz sicher! Es ist eine rechte Qual. Man glaubt zu spüren, daß das Wesentliche der Fuge um einen herumschwebt, aber man bekommt sie nie ganz zu fassen, weil man es nicht fertigbringt, gleichzeitig auf beide Arten zu funktionieren.
    Ameisenbär: Fugen haben die interessante Eigenschaft, daß jede ihrer Stimmen ein selbständiges Musikstück ist, und so könnte man eine Fuge als eine Sammlung von verschiedenen Musikstücken verstehen — alle auf einem einzigen Thema beruhend, und alle gleichzeitig gespielt. Aufgabe des Hörers (oder seines Unbewußten) ist es, zu entscheiden, ob es sich um eine Einheit handelt oder aber um eine Sammlung unabhängiger Teile, die alle miteinander harmonieren.
    Achilles: Sie sagen, diese Teile seien „unabhängig“; das kann aber nicht wörtlich gemeint sein. Irgendwo müssen sie koordiniert sein, sonst erhielte man nur ein unsystematisches Tongewirr, wenn man sie zusammenfügt, und weiter könnte man von der Wahrheit gar nicht entfernt sein.
    Ameisenbär: Vielleicht könnte man es besser so sagen: Wenn man jeder Stimme einzeln zuhörte, stellte man fest, daß sie anscheinend ganz für sich einen Sinn hätte. Sie könnte allein für sich stehen, und das meinte ich mit dem Ausdruck „unabhängig“. Sie haben aber ganz recht mit Ihrem Hinweis, daß jede dieser individuell sinnvollen Melodien mit den anderen in einer keineswegs planlosen Weise verschmilzt und so ein gefälliges Gesamtbild ergibt. Die Kunst, eine schöne Fuge zu schreiben, liegt gerade in dieser Fähigkeit, mehrere verschiedene Melodien zu erzeugen,

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