Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
von denen jede die Illusion vermittelt, sie sei um ihrer eigenen Schönheit willen geschrieben worden, und die doch, wenn man sie zusammennimmt, ein Ganzes bilden, das in keiner Weise forciert wirkt. Nun ist die Dichotomie zwischen dem Anhören einer Fuge als ganzer und dem Hören ihrer Einzelstimmen ein Beispiel für eine sehr allgemeine Dichotomie, die auf viele Strukturen zutrifft, die von niedrigeren Stufen aus aufgebaut werden.
Achilles: Tatsächlich? Sie meinen, daß meine beiden „Modi“ auch in anderen Situationen als dem Abhören einer Fuge einen allgemeinen Gültigkeitsbereich besitzen?
Ameisenbär: Aber gewiß.
Achilles: Ich frage mich, wie das möglich ist. Ich nehme an, es hat etwas mit dem Pendeln zwischen der Wahrnehmung der Teile und dem Zusammensetzen von Teilen zu tun. Aber der einzige Ort, wo ich auf diese Dichotomie gestoßen bin, war beim Anhören einer Fuge.
Schildkröte: Oh! Schauen Sie sich das einmal an! Ich blätterte diese Seite um, während ich der Musik zuhörte, und stieß auf diese großartige Illustration, die der ersten Seite der Fuge gegenüber steht.
Krebs: Ich habe diese Illustration noch nie gesehen. Reichen Sie sie doch einmal herum!
(Herr Schildkröte reicht das Bild herum! Jeder der vier betrachtet es in einer für ihn charakteristischen Weise: der eine von fern, der andere von nah; Jeder bewegt den Kopf ratlos hierhin und dorthin. Schließlich kommt das Bild zu Herrn Schildkröte zurück, der es recht eingehend betrachtet.)
Achilles: Nun, das Präludium ist wahrscheinlich zu Ende. Ob ich wohl beim Anhören dieser Fuge mehr Verständnis für die Frage gewinne: ,,Welches ist die richtige Art, sich eine Fuge anzuhören — als ein Ganzes oder als die Summe ihrer Teile?“
TTheo Schildkröte: Hören Sie sorgfältig zu, und Sie werden es sehen.
(Das Präludium ist zu Ende; einen Augenblick herrscht Stille, und ...
[ATTACCA]
KAPITEL X
Beschreibungsebenen und
Computersysteme
Beschreibungsebenen
G ÖDELS K ETTE G und eine Bach-Fuge: beide haben die Eigenschaft, daß sie auf verschiedenen Ebenen verstanden werden können. Mit derartigen Dingen sind wir alle vertraut, und doch verwirren sie uns in gewissen Fällen, während wir in anderen ohne jede Schwierigkeiten mit ihnen umgehen. Zum Beispiel wissen wir alle, daß der Mensch aus einer ungeheuren Zahl von Zellen (etwa 25 Billionen) zusammengesetzt ist und daß deshalb alles, was wir tun, prinzipiell vom Standpunkt der Zellen aus beschrieben werden kann. Es ließe sich sogar vom Standpunkt der Moleküle aus beschreiben. Die meisten Menschen nehmen das als selbstverständlich hin; wir gehen zum Arzt, der uns auf tieferen Ebenen betrachtet als derjenigen, auf der wir uns selber betrachten. Wir lesen über DNS und Gentechnologie und schlürfen dazu unseren Kaffee. Wir haben diese beiden völlig verschiedenen Bilder von uns selbst in Übereinstimmung gebracht, indem wir sie voneinander trennten. Es gibt fast keine Möglichkeit, eine mikroskopische Beschreibung von uns selbst mit unserem Bild von uns selbst in Einklang zu bringen, und deshalb ist es möglich, verschiedene Repräsentationen unserer selbst in ganz verschiedenen „Abteilungen“ unseres Geistes zu lagern. Selten müssen wir zwischen diesen beiden Darstellungen von uns hin- und herspringen und fragen: „Wie können diese beiden völlig verschiedenen Dinge das gleiche Ich sein?“
Oder nehmen wir eine Sequenz von Bildern auf einem Fernsehschirm, die eine lachende Shirley MacLaine zeigt. Wenn wir uns diese Sequenz anschauen, wissen wir, daß wir nicht wirklich eine Frau betrachten, sondern Mengen von flackernden Punkten auf einer ebenen Fläche. Wir wissen es — aber nichts liegt unseren Gedanken ferner. Wir haben also zwei extrem entgegengesetzte Repräsentationen dessen, was sich auf dem Schirm befindet, aber in Verwirrung stürzt uns das nicht. Wir können einfach die eine ausschließen und unsere Aufmerksamkeit auf die andere richten — und das tun wir denn auch alle. Welche ist „wirklicher“? Es hängt davon ab, ob Sie ein Mensch, ein Hund, ein Computer oder ein Fernsehgerät sind.
Ballung und Schachspiel
Eines der Hauptprobleme bei der Erforschung der Artifiziellen Intelligenz besteht darin, herauszufinden, wie man die Kluft zwischen den beiden Beschreibungen überbrücken, wie man ein System konstruieren kann, das die eine Beschreibungsebeneannehmen und die andere erzeugen kann. Eine Möglichkeit, wie diese Kluft in die Artifizielle Intelligenz
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