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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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recht gut kennen, weil diese Sprache auf einen Vorrat an biblischen Wendungen und ihre Nebenbedeutungen zurückgreift. Assoziationen solcher Stufe durchdringen jedes Symbol. Doch ist im Rahmen der Geläufigkeit Raum vorhanden für Vielfalt aller Art — sonst wären ja die einzigen flüssigen Sprecher die, deren Gedanken die stereotypsten wären.
    Obgleich wir uns des Ausmaßes, in dem die Kultur das Denken beeinflußt, bewußt sein sollten, dürfen wir die Rolle der Sprache bei der Formung von Gedanken nicht überbetonen. Zwei Möbel, die wir z. B. beide „Stühle“ nennen würden, könnten einem französisch Sprechenden als Gegenstände zweier verschiedener Typen erscheinen: „chaise“ und „fauteuil“ („Stuhl“ und „Armstuhl“). Menschen französischer Muttersprache sind sich dieses Unterschieds bewußter als wir — aber schließlich sind ja auch auf dem Land Aufgewachsene sich des Unterschieds zwischen Gerste und Roggen bewußter als ein Städter. Ein solcher nennt vielleicht beide „Getreide“. Diese begriffliche Unterscheidung beruht nicht auf der Verschiedenheit der Muttersprachen, sondern auf verschiedenen Kulturen (oder Subkulturen).
    Die Beziehungen zwischen den Symbolen von Menschen verschiedener Muttersprache sind sich, soweit es den Kern betrifft, aus einem guten Grund sehr ähnlich:weil jedermann in derselben Weit lebt. Wenn wir zu den detaillierten Aspekten der Auslösemuster kommen, wird man sehen, daß hier weniger Gemeinsamkeiten bestehen. Es wäre, wie wenn man ländliche Gegenden in Niedersachsen in ARDs vergliche, die Leute verfertigt hätten, die noch nie in Niedersachsen gelebt haben. Das spielt aber gar keine Rolle, solange man sich über die wichtigsten Städte und Verkehrslinien einig ist, so daß es gemeinsame Bezugspunkte auf der ganzen Karte gibt.
Reisen und Fahrpläne in der ARD
    Ohne es explizit zu sagen, habe ich ein Bild dafür gebraucht, was ein „Gedanke“ in der ARD-Analogie ist — ich habe nämlich angenommen, daß ein Gedanke einer Reise entspricht. Die Städte, durch die man fährt, steilen die Symbole dar, die angeregt werden. Dies ist zwar keine vollkommene Analogie, aber doch eine recht starke. Ein Problem dabei ist, daß, wenn sich ein Gedanke im Gehirn eines Menschen oft genug wiederholt, er in einem einzigen Begriff „geballt“ werden kann. Das würde einem recht seltsamen Geschehnis in einer ARD entsprechen: Eine häufig gemachte Reise würde auf seltsame Weise zu einer neuen Ortschaft oder Stadt! Wenn man also die ARD-Metapher weiterhin verwendet, ist es wichtig, daran zu denken, daß die Städte nicht nur elementare Symbole repräsentieren — wie etwa „Gras“, „Haus“, „Automobil“, sondern auch Symbole, die dadurch entstehen, daß das Gehirn die Fähigkeit hat, Ballungen zu formen — Systeme für so vielschichtige Begriffe wie „Krebs-Kanon“, „Palindrom“ oder „ARD“.
    Vorausgesetzt nun, daß der Begriff des Reisens eine einigermaßen gute Entsprechung für die Vorstellung ist, einen Gedanken zu haben, dann ergibt sich die folgende Schwierigkeit: Jede Route sozusagen, die von einer Stadt zu einer zweiten, dann zu einer dritten usw. führt, kann man sich vorstellen, so lange man daran denkt, daß man auch einige dazwischenliegende Städte passiert hat. Das entspräche einer Aktivierung einer beliebigen Folge von Symbolen, eines nach dem anderen, wobei man einige zusätzliche Symbole berücksichtigen muß, die nämlich, die auf dem Wege liegen. Wenn nun praktisch jede Symbolfolge in jeder gewünschten Reihenfolge aktiviert werden kann, so könnte es scheinen, daß das Gehirn ein System ohne Unterscheidungsvermögen ist, jeden beliebigen Gedanken aufnehmen oder erzeugen kann. Daß das nicht der Fall ist, wissen wir alle. Es gibt ja tatsächlich gewisse Kategorien von Gedanken, die wir Wissen oder Glauben nennen, und die eine ganz andere Rolle spielen als ungeordnete Phantasien oder mit humoristischer Absicht behauptete Absurditäten. Wie können wir den Unterschied zwischen Träumen, flüchtigen Gedanken, Glauben und Wissen charakterisieren?
Mögliche, potentielle und widersinnige Wege
    Es gibt gewisse Wege — man kann sie sich als Wege innerhalb einer ARD oder eines Gehirns vorsteilen —, die man gewohnheitsmäßig einschlägt, wenn man von einem Ort zum anderen geht. Es gibt andere Wege, denen man nur folgen kann, wenn man an derHand durch sie hindurchgeführt wird. Es sind die „potentiellen Wege“, denen man nur bei

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