Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
dem Faktum analog, daß wir alle, durch die äußere Realität gezwungen, gewisse Klassensymbole und Auslösemechanismen auf die gleiche Weise konstruieren. Diese Kernsymbole sind die großen Städte, auf die sich jeder ohne Doppeldeutigkeit beziehen kann. (Übrigens sollte die Tatsache, daß Städte lokalisierte Einheiten sind, auf keinen Fall so verstanden werden, daß Symbole im Gehirn kleine, fast punktförmige Einheiten sind. Sie werden lediglich in einem Netzwerk auf diese Weise symbolisch dargesteilt.)
Tatsache ist, daß ein großer Teil des Netzwerks von Symbolen eines Menschen universal ist. Wir fassen soviel von dem, was uns allen gemeinsam ist, als selbstverständlich auf, daß es uns schwerfällt einzusehen, wieviel wir mit anderen Menschen gemeinsam haben. Es bedarf einer bewußten Anstrengung, sich vorzustellen, wieviel oder wie wenig — wir mit Gebilden anderer Art — Steinen, Autos, Restaurants, Ameisen usw. — gemeinsam haben, um zu zeigen, wie stark wir uns mit anderen Menschen überschneiden. Was an einer anderen Person sofort auffällt, ist nicht das, worin wir uns überschneiden, denn das wird als selbstverständlich vorausgesetzt, sobald wir die andere Person als Mensch erkennen; vielmehr blicken wir über die üblichen Überschneidungen hinweg, und finden gewöhnlich bedeutende Unterschiede sowie einige unerwartete zusätzliche Überschneidungen.
Gelegentlich wird man auch finden, daß eine andere Person etwas von dem, was einem als Minimal-Standardkern vorkam, gar nicht wahrnimmt — wie wenn auf ihrer ARD Köln nicht verzeichnet wäre — was beinahe unvorstellbar ist. Zum Beispiel könnte jemand nicht wissen, was ein Elefant ist oder wie der Bundeskanzler heißt oder daß die Erde rund ist. In solchen Fällen ist das Symbolnetzwerk wahrscheinlich so fundamental von dem Ihrigen unterschieden, daß eine sinnvolle Kommunikation schwierig sein wird. Auf der anderen Seite wird diese selbe Person vielleicht mit Ihnen eine besondere Art von Wissen gemeinsam haben — wie z. B. die Kenntnis des Dominospiels —, so daß Sie in einem abgegrenzten Bereich gut kommunizieren können. Das wäre das Gleiche, wie wenn Sie jemanden treffen, der aus der gleichen ländlichen Gegend in Nordhessen kommt wie Sie, so daß Ihre beiden ARDs in einem sehr kleinen Bereich in vielen Details übereinstimmen, was Ihnen erlaubt, ohne Schwierigkeiten zu beschreiben, wie man von einem Ort zum anderen gelangt.
Wie sehr kanalisieren Sprache und Kultur das Denken?
Wenn wir nun zum Vergleich Ihres eigenen Symbolnetzwerks mit dem eines Franzosen oder eines Engländers zurückkehren, können wir sagen: Wir erwarten, daß sie den gleichen Kern von Klassensymbolen haben, und dies trotz der Tatsache, daß ihr Muttersprache verschieden ist. Wir erwarten nicht, daß wir mit ihnen hochspezialisierte Netze gemeinsam haben; das erwarten wir aber auch nicht von einem nach Belieben herausgegriffenen Menschen, der unsere Muttersprache spricht. Die Auslösemuster von Menschen anderer Sprache werden sich von den unsrigen etwas unterscheiden, aber die wichtigsten Klassensymbole und ihre Hauptverbindungswege sind allgemein zugänglich, so daß kleinere Nebenstraßen im Hinblick auf sie beschrieben werden können.
Nun könnte jede unserer drei Personen zusätzlich die Sprache der beiden anderen einigermaßen beherrschen. Worin liegt der Unterschied zwischen wirklicher Geläufigkeit und der bloßen Fähigkeit zu kommunizieren? Vor allem gebraucht jemand, der das Deutsche beherrscht, die meisten Wörter mit ungefähr der gewöhnlichen Häufigkeit. Einer, der Deutsch nicht als Muttersprache spricht, hat wohl einige Wörter aus Wörterbüchern, Romanen oder im Unterricht aufgeschnappt — Wörter, die zu einer gewissen Zeit viel gebraucht wurden, die aber jetzt, was die Häufigkeit betrifft, abgesunken sind, zum Beispiel „hold“ für „anmutig“, „Trunk“ statt „was zu trinken“ usw. Auch wenn die Bedeutung im allgemeinen durchschlägt, bewirkt die ungewöhnliche Wortwahl eine fremdartige Qualität.
Nehmen wir aber an, daß ein Ausländer alle Wörter mit annähernd normaler Häufigkeit zu gebrauchen gelernt hat. Macht das seine Sprache wirklich fließend? Wahrscheinlich nicht. Über der Wortebene steht die der Assoziationen, die der Kultur als ganzer angehört: Geschichte, Geographie, Religion, Kinderbücher, Literatur, Technologie usw. Um z. B. das moderne Hebräisch absolut fließend zu sprechen, muß man die hebräische Bibel
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