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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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besonderen äußeren Umständen folgen kann. Jene Wege, auf die man sich immer und immer wieder verläßt, sind solche, die Wissen verkörpern — und hier meine ich nicht nur faktisches (deklaratives) Wissen, sondern auch Wissen, wie man etwas macht (prozedurales Wissen). Diese stabilen, zuverlässigen Wege sind es, die das Wissen konstituieren. Einzelne „Stücke“ von Wissen verschmelzen allmählich mit Glaubensinhalten, die ebenfalls durch bewährte Wege repräsentiert sind, oder vielleicht solche, die sich leichter ersetzen lassen, wenn sozusagen eine Brücke ausfällt oder dicker Nebel herrscht. Das beschert uns Phantasien, Lügen, Unwahrheiten, Absurditäten usw. Es entspräche ausgefallenen Routen wie der von Hamburg nach Lübeck via Frankfurt und Überlingen. Das sind in der Tat mögliche Wege, aber normalerweise schlägt man sie wohl nicht ein.
    Eine kuriose und amüsante Folge dieses Modells ist, daß all die oben erwähnten „abweichenden“ Denkformen sich letzten Endes vollständig aus Glaubens- und Wissens-„stücken“ zusammensetzen. Das heißt, jede verrückte und gewundene indirekte Route setzt sich aus nicht-verrückten, nicht-gewundenen direkten Verbindungen zusammen, und diese kurzen, die Symbole direkt verbindenden Bahnen repräsentieren einfache Gedanken, die sich bewährt haben — Glaubens- und Wissens-„Stücke“. Bei etwas Nachdenken überrascht das kaum, denn es klingt doch ganz vernünftig, daß wir uns fiktive Dinge nur vorsteilen können, die irgendwie in den Realitäten wurzeln, die wir erfahren haben, so sehr sie von ihnen auch abweichen mögen. Vielleicht sind Träume einfach solche ziellosen Streifzüge in den ARDs unserer Gehirne. Lokal sind sie sinnvoll, aber global ...
Verschiedene Stile bei der Übersetzung von Romanen
    Ein Gedicht wie „Jabberwocky“ ist wie eine unwirkliche Reise in einer ARD, bei der man sehr rasch von einem Zustand in den anderen hüpft und dabei äußerst merkwürdigen Bahnen folgt. Die Übersetzungen geben eher diesen Aspekt des Gedichts wieder und nicht so sehr die präzise Reihenfolge der Symbole, die ausgelöst werden, auch wenn sie in dieser Hinsicht ihr möglichstes tun. In gewöhnlicher Prosa sind solche Sprünge weniger üblich, doch ergeben sich ähnliche Übersetzungsprobleme. Nehmen wir an, Sie übersetzen einen Roman aus dem Russischen ins Deutsche und stoßen auf einen Satz, dessen wörtliche Übersetzung lautet: „Sie hatte eine Schüssel mit Borschtsch.“ Nun haben vielleicht viele Ihrer Leser keine Ahnung, was Borschtsch ist. Sie können versuchen, das Wort mit einem „entsprechenden“ Begriff aus Ihrer Kultur zu übersetzen — so könnte die Übersetzung etwa lauten: „Sie hatte eine Schüssel mit Maggi-Suppe.“ Wenn Sie das nun für eine alberne Übertreibung halten, schauen Sie sich den ersten Satz von Dostojewskis Schuld und Sühne an — auf russisch und in ein paar englischen Übersetzungen. Ich habe drei verschiedene Übersetzungen geprüft und dabei die folgende kuriose Situation gefunden: Im ersten Satz kommt der Straßenname (transliteriert) „S. Pereulok“ vor. Was bedeutet das? Ein sorgfältiger Dostojewskileser, der Leningrad kennt (das früher „Petersburg“ hieß — oder sollten wir„Petrograd“ sagen?) kann durch sorgfältige Prüfung der übrigen geographischen Angaben in diesem Buch erkennen, daß die Straße die „Stoliarny Pereulok“ sein muß. Dostojewski wollte seine Geschichte offensichtlich realistisch erzählen, aber doch nicht so realistisch, daß man die Adressen der Häuser, in denen Verbrechen und andere Ereignisse sich angeblich abspielten, wörtlich nehmen konnte. Auf alle Fälle liegt ein Übersetzungsproblem vor, oder genauer: wir haben verschiedene Übersetzungsprobleme auf verschiedenen Stufen.
    Zunächst: sollten wir die Initialen beibehalten, um so die Atmosphäre des Halbmysteriösen wiederzugeben, die bereits im ersten Satz des Buches anklingt? Das ergäbe „S-Lane“. (engl. „Lane“, „Gasse“, ist die Standardübersetzung von „Pereulok“.) Keiner der drei Übersetzer wählte diesen Weg. Indessen entschied sich einer für „S. Place“. Die Übersetzung von Schuld und Sühne, die ich am Gymnasium las, tat dasselbe. Ich werde nie das Gefühl der Desorientierung vergessen, das mich befiel, als ich mit der Lektüre begann und auf diese Straße, deren Name lediglich ein Buchstabe war, stieß. Ich hatte ein schwer zu fassendes Unbehagen, was den Beginn des Buchs betraf;

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