Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
tatsächlich so aus, als könne man nur dann aus der „Weit“, die ein belebtes lokalisiertes Objekt umgibt, klug werden, wenn man die Rolle dieses Objekts in Beziehung zu den anderen Objekten rings um es herum versteht. Das bedingt die Existenz eines Selbstsymbols, und der Schritt vom Symbol zum Teilsystem ergibt sich aus der Wichtigkeit des Selbstsymbols, bedeutet aber keine qualitative Veränderung.
Unsere erste Begegnung mit Lucas
Der Oxforder Philosoph J. R. Lucas (der mit den früher beschriebenen Lucas-Zahlen nichts zu tun hat) schrieb im Jahre 1961 einen bemerkenswerten Artikel mit dem Titel „Minds, Machines and Gödel“. Seine Ansichten sind den meinen genau entgegengesetzt, und doch bringt er es fertig, bei der Darlegung seiner Ansichten viele der gleichen Zutaten zu verwenden. Die folgenden Auszüge sind für das eben Besprochene von Bedeutung:
Beim ersten und einfachsten Versuch zu philosophieren verstrickt man sich in die Frage, ob man, wenn man etwas weiß, weiß, daß man es weiß, und worüber, wenn man von sich selber denkt, gedacht wird und was das Denken ausführt. Nachdem man sich lange mit diesem Problem abgequält hat, lernt man, nicht allzusehr auf diesen Fragen herumzureiten: Der Begriff eines sich seiner bewußten Wesens wird implizit als von dem eines sich seiner unbewußten Objekts verschieden erkannt. Wenn wir sagen, daß ein sich seiner bewußtes Wesen etwas weiß, sagen wir nicht nur, daß es das weiß, sondern auch, daß es weiß, daß es weiß, und weiß, daß es weiß, daß es weiß usw., solange wir die Frage stellen wollen: Wir erkennen hier etwas Unendliches, aber das ist kein unendlicher Regreß im schlechten Sinn, denn es sind die Fragen, die sich totlaufen, da sie sinnlos sind, nicht die Antworten. Die Fragen kommen einem sinnlos vor, weil der Begriff in sich selbst die Vorstellung enthält, daß solche Fragen unendlich lange beantwortet werden können. Obgleich bewußte Wesen die Fähigkeit besitzen, weiterzugehen, wollen wir das nicht einfach als eine Reihe von Aufgaben darstellen, die sie ausführen könnnen; wir betrachten auch den Geist nicht als eine unendliche Folge von Selbsten und Super-Selbsten und Super-Super-Selbsten. Vielmehr bestehen wir darauf, daß ein bewußtes Wesen eine Einheit ist, und obgleich wir von Teilen des Geistes sprechen, tun wir das nur metaphorisch, und lassen es nicht zu, daß man es wörtlich nimmt.
Die Paradoxien des Bewußtseins entstehen deshalb, weil ein bewußtes Wesen sich seiner selbst — und anderer Dinge bewußt ist und doch nicht so verstanden werden kann, daß es in Einzeiteile auflösbar wäre. Das heißt, daß ein bewußtes Wesen mit Gödelschen Fragen auf eine Weise fertig wird, wie es die Maschine nicht kann, weil ein bewußtes Wesen sowohl sich selbst als auch seine Leistung betrachten kann und doch nichts anderes ist als das, was die Leistung vollbrachte. Eine Maschine kann sozusagen dazu gebracht werden, ihre Leistung zu „betrachten“, aber sie kann dem nicht „Rechenschaft tragen“, ohne dabei eine andere Maschine zu werden, nämlich die alte Maschine unter Beifügung eines „neuen Teils“. Es liegt in unserer Vorstellung vom bewußten Geist, daß er über sich selbst nachdenken und seine Leistung kritisieren kann, und um das zu tun, bedarf es keiner zusätzlichen Teile: Es ist schon vollständig und hat keine Achillesferse.
Die These wird nun allmählich mehr ein Gegenstand begrifflicher Analyse als mathematischer Entdeckung. Das bestätigt sich, wenn wir ein anderes, von Turing angeführtes Argument betrachten. Bis heute haben wir einigermaßen einfache und in ihrem Verhalten voraussagbare Artefakte geschaffen. Wenn wir die Komplexitätunserer Maschinen erhöhen, dann erwarten uns vielleicht Überraschungen. Turing zieht eine Parallele zu einem Kernreaktor-Brennstab. Unterhalb einer gewissen „kritischen“ Masse geschieht nichts, aber oberhalb der kritischen Masse beginnen die Funken zu stieben. So verhält es sich vielleicht mit Gehirnen und Maschinen. Die meisten Gehirne und alle Maschinen sind gegenwärtig „subkritisch“; sie reagieren auf eintreffende Reize in schwerfälliger und nicht weiter interessanter Weise, haben kein Bild von sich selber, können bloß Standardantworten geben aber zur Zeit sind ein paar Gehirne und in Zukunft vielleicht ein paar Maschinen superkritisch und beginnen von sich aus zu funkeln. Turing gibt zu bedenken, daß das lediglich eine Sache der Komplexität ist und oberhalb
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