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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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re-entrant code nennt — ein Code, der von zwei oder mehr verschiedenen Time-Sharing-Programmen, die zu gleicher Zeit auf dem gleichen Computer laufen, gemeinsam benutzt werden kann.
    Die Tatsache, daß die Aktivierung eines Symbols verschiedene Ergebnisse haben kann, wenn es Teil verschiedener Teilsysteme ist, läßt sich so erklären, daß man sagt, der Code werde von verschiedenen Interpretern verarbeitet. So sind also die Auslösemuster im „Berg“-Symbol nicht absolut; sie sind relativ je nach dem System, innerhalb dessen das Symbol aktiviert wird.
    Daß es solche „Teilgehirne“ gibt, mag manchem zweifelhaft erscheinen. Vielleicht verhilft das folgende Zitat von M. C. Escher — aus einer Beschreibung, wie man flächendeckende Zeichnungen ausführt — zum Verständnis des Phänomens, das ich meine:
    Wenn ich zeichne, habe ich manchmal das Gefühl, ich sei ein spiritistisches Medium, gelenkt von den Gestalten, die ich heraufbeschworen habe. Es ist, als träfen sie die Entscheidung darüber, in welcher Form sie erscheinen wollten. Während ihrer Geburt kümmern sie sich wenig um meine kritische Meinung, und auf den Fortgang ihrer Entwicklung kann ich keinen großen Einfluß nehmen. Meistens sind es sehr schwierige und starrköpfige Wesen. 2
    Das ist ein vortreffliches Beispiel, wie gewisse Teilsysteme des Gehirns, wenn aktiviert, fast autonom werden. Eschers Teilsysteme, glaubte er, konnten beinahe die Oberhand über sein ästhetisches Urteil gewinnen. Das ist natürlich nur cum grano salis zuverstehen, da diese starken Teilsysteme sich als Ergebnis jahrelanger Schulung und der Unterwerfung gerade unter die Kräfte einstellten, die seine ästhetische Empfindsamkeit formten. Kurz, es ist falsch, die Teilsysteme in Eschers Gehirn von ihm selbst und seinem ästhetischen Urteil zu trennen. Sie bilden einen entscheidenden Teil seines Gefühls für Ästhetik, wobei „er“ seine gesamte Existenz als Künstler bedeutet.
Das Selbst-Symbol und Bewußtsein
    Ein sehr wichtiger Nebeneffekt des Selbst-Teilsystems ist der, daß es die Rolle der „Seele“ spielen kann, und zwar in folgendem Sinn: Indem es fortwährend mit den übrigen Teilsystemen und Symbolen im Gehirn kommuniziert, hält es fest, welche Symbole aktiv sind und welche nicht. Das bedeutet, daß es Symbole für geistige Tätigkeit besitzen muß, in anderen Worten Symbole für Symbole, und Symbole für die Tätigkeiten von Symbolen.
    Natürlich hebt dies das Bewußtsein oder das Sich-bewußt-sein nicht auf eine „magische“, nicht-materielle Ebene. „Sich bewußt sein“ ist hier eine unmittelbare Auswirkung des Komplexes Hardware und Software, wie wir ihn beschrieben haben. Trotz des irdischen Ursprungs scheint diese Art, das Sich-bewußt-sein zu beschreiben nämlich als Überwachung einer gedanklichen Tätigkeit eines Teilsystems durch das Gehirn selbst — immerhin der beinahe unbeschreiblichen Empfindung zu ähneln, die wir alle kennen und die wir „Bewußtsein“ nennen. Sicher läßt sich erkennen, daß hier hinlänglich Komplexität vorliegt, um unerwartete Wirkungen hervorzubringen. Zum Beispiel ist es ganz einleuchtend, daß ein so strukturiertes Computerprogramm Aussagen über sich selbst machen würde, die den Aussagen, die Menschen gemeinhin über sich selbst machen, sehr ähnlich wären. Dies impliziert die Behauptung, daß der Computer freien Willen besäße, daß er nicht als „Summe seiner Teile“ erklärt werden kann usw. (Zu diesem Thema siehe den Artikel „Matter, Mind and Models“ von M. Minsky in seinem Buch Semantic Information Processing.)
    Was für eine Gewähr haben wir, daß ein das Selbst repräsentierendes Teilsystem, wie das hier von mir postulierte, tatsächlich in unseren Gehirnen existiert? Könnte sich ein komplexes Netzwerk von Symbolen, wie ich es oben beschrieben habe, entwickeln, ohne daß sich zugleich ein Selbstsymbol entwickelte? Wie könnten diese Symbole und ihre Tätigkeiten den wirklichen Geschehnissen und dem sie umgebenden Universum „isomorphe geistige Geschehnisse entwickeln, wenn es nicht ein Symbol für den Wirtsorganismus gäbe? Die Reize, die in ein System eingehen, konzentrieren sich auf eine kleine Masse im Raum. Es wäre ein klaffendes Loch in der symbolischen Struktur eines Gehirns, wenn es kein Symbol für das physische Objekt besäße, in dem es haust und das in den Geschehnissen die es widerspiegelt, eine größere Rolle spielt als jedes andere Objekt. Bei genauem Nachdenken sieht es

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