Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Leser vielleicht denken: „Diese Spekulationen über Gehirn und Vernunft sind ja gut und schön, aber wie steht es mit den Gefühlen, die zum Bewußtsein gehören? Mögen diese Symbole sich gegenseitig auslösen, soviel sie wollen — wenn jemand die ganze Geschichte nicht wahrnimmt, gibt es kein Bewußtsein.“
Das leuchtet intuitiv vielleicht auf einer gewissen Stufe ein, aber logisch stimmt es nicht. Dann wären wir nämlich gezwungen, nach einer Erklärung des Mechanismus zu fragen, der die Wahrnehmung aller aktiven Symbole besorgt, falls dieser nicht unter die Dinge fällt, die wir bis jetzt beschrieben haben. Wer an eine „Seele“ glaubt, wird natürlich gar nicht weiter zu suchen haben — er wird einfach behaupten, daß das, wasall diese neurale Tätigkeit wahrnehme, die Seele sei, die in physikalischen Ausdrücken nicht beschrieben werden könne, und damit basta. Wir werden versuchen, eine Erklärung für den Ursprung des Bewußtseins zu liefern, die ohne den Begriff „Seele“ auskommt.
Unsere Alternative zu dieser holistisch beseelten Erklärung — es ist eine recht beunruhigende — besteht darin, bei der Symbolstufe anzuhalten und zu sagen: „Das ist es!“ Das ist Bewußtsein. Bewußtsein ist jene Eigenschaft eines Systems, die sich ergibt, wo immer in einem System Symbole auftreten, die Auslösemustern etwa der Art gehorchen, wie sie im obigen Abschnitt beschrieben wurden.“ So brutal ausgedrückt, klingt es unzureichend. Wie kann damit das Gefühl des „Ich“, des „Selbst“ erklärt werden?
Teilsysteme
Es liegt kein Grund zur Erwartung vor, daß „Ich“ oder „das Selbst“ nicht durch ein Symbol repräsentiert werden sollte. Das Symbol für das Selbst ist ja wahrscheinlich das komplexeste aller Symbole im Gehirn. Deshalb habe ich mich entschlossen, ihm innerhalb der Hierarchie eine neue Stufe zuzuweisen und es Teilsystem und nicht „Symbol“ zu nennen. Um es genau zu sagen: unter „Teilsystem“ verstehe ich eine Konstellation von Symbolen, von denen jedes für sich allein unter Kontrolle des Teilsystems selbst aktiviert werden kann. Das Bild, das ich von einem Teilsystem geben will, ist das eines beinahe unabhängig funktionierenden „Teilhirns“, welches mit seinem eigenen Bestand an Symbolen ausgestattet ist, die sich gegenseitig intern auslösen können. Selbstverständlich findet auch zwischen dem Teilsystem und der „Außenwelt“ — das heißt dem restlichen Gehirn — Kommunikation statt. „Teilsystem“ ist einfach eine andere Bezeichnung für ein übergroßes Symbol, das so kompliziert geworden ist, daß es sehr viele Teilsymbole enthält, die miteinander interagieren. Eine strenge Unterscheidung zwischen Symbol und Teilsystem jedoch gibt es vom Gesichtspunkt der Hierarchie aus nicht.
Wegen der zahlreichen Querverbindungen zwischen einem Teilsystem und dem übrigen Gehirn — von denen einige im folgenden beschrieben werden — wäre es sehr schwierig, eine scharfe Grenze zwischen dem Teilsystem und der Außenwelt zu ziehen, aber selbst wenn die Grenze unscharf ist, ist das Teilsystem eine ganz reale Angelegenheit. Interessant an ihm ist die Tatsache, daß es, wenn es einmal aktiviert ist und dann sich selber überlassen bleibt, selbständig arbeiten kann. So können zwei oder mehr Teilsysteme eines menschlichen Gehirns gleichzeitig arbeiten. Ich habe gelegentlich festgestellt, wie das in meinem eigenen Gehirn geschieht: Manchmal merke ich, daß mir zwei verschiedene Melodien durch den Kopf gehen und um „meine“ Aufmerksamkeit wetteifern. Irgendwie wird jede der beiden Melodien in separaten Kammern meines Gehirns erzeugt und „abgespielt“. Jedes für das Herausholen einer Melodie aus meinem Gehirn verantwortliche Symbol aktiviert vermutlich nacheinander eine Anzahl von Symbolen, vollständig unbewußt, das andere Symbol desgleichen. Darauf versuchen beide, mit einem dritten Teilsystem meines Gehirns — meinem Selbst-Symbol — zu kommunizieren, und an diesem Punkt merkt das Ich in meinem Gehirn, washier vor sich geht. In anderen Worten: es beginnt, eine geballte Beschreibung der Tätigkeit dieser beiden Teilsysteme aufzunehmen
Teilsysteme und gemeinsamer Code
Typische Teilsysteme wären etwa solche, die uns gut bekannte Menschen repräsentieren. Diese sind in unserem Gehirn auf so komplexe Weise repräsentiert, daß ihre Symbole sich zum Rang eines Teilsystems erweitern und so zu autonomem Agieren fähig werden, wobei sie sich zur Unterstützung einiger
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