Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Ressourcen unseres Gehirns bedienen. Damit will ich sagen, daß ein Teilsystem, das einen Freund symbolisiert, viele Symbole in meinem Gehirn genau so gut aktivieren kann wie ich selbst. Zum Beispiel kann ich mein Teilsystem für einen guten Freund erregen und mir einbilden, ich steckte sozusagen in seiner Haut, kann Gedanken verfolgen, die er haben könnte, Symbole in Sequenzen aktivieren, die seine Denkmuster genauer als meine eigenen widerspiegeln. Man könnte sagen, daß mein Modell dieses Freundes, wie es ein Teilsystem meines Gehirns verkörpert, meine eigene geballte Beschreibung seines Gehirns darstellt.
Enthält das Teilsystem also ein Symbol für jedes Symbol, von dem ich annehme, daß es in seinem Gehirn ist? Das wäre redundant. Wahrscheinlich macht das Teilsystem in großem Umfang von Symbolen Gebrauch, die sich bereits in meinem Gehirn befinden. Zum Beispiel kann das Symbol für „Berg“ in meinem Gehirn von dem Teilsystem geborgt werden, wenn es aktiviert ist. Die Art und Weise, in der das Symbol dann vom Teilsystem verwendet wird, ist nicht notwendigerweise identisch mit der, die mein Gehirn als Ganzes verwendet. Wenn ich im besonderen mit meinem Freund über die Tien-Shan-Bergkette in Zentralasien spreche (wobei keiner von uns beiden jemals dort gewesen ist), und ich weiß, daß er Jahre zuvor beim Wandern in den Alpen ein wundervolles Erlebnis hatte, dann wird meine Interpretation seiner Bemerkungen teilweise von den Bildern, die ich von seinem früheren alpinen Erlebnis „importiert“ habe, getönt sein, da ich mir klar zu werden suche, wie er sich das Gebiet vorstellt.
In dem Vokabular, das wir im Verlauf dieses Kapitels aufgebaut haben, ließe sich sagen, daß die Aktivierung des Symbols „Berg“ in mir unter der Kontrolle eines Teilsystems steht, das meinen Freund repräsentiert. Das bewirkt, daß es ein anderes „Fenster“ auf mein Gedächtnis öffnet als das, das ich gewöhnlich gebrauche — meine „default option“ wird nämlich umgeschaltet von der Fülle meiner Erinnerungen zu einem Bündel von Erinnerungen an seine Erinnerungen. Es braucht nicht betont zu werden, daß meine Repräsentation von seinen Erinnerungen nur Annäherungen an seine tatsächlichen Erinnerungen sind. Die komplexen Aktivierungsweisen von Symbolen in seinem Gehirn sind für mich unzugänglich.
Meine Repräsentation von seinen Erinnerungen ist auch eine komplexe Aktivierungsweise meiner eigenen Symbole — jener für „ursprüngliche“ Begriffe wie Gras, Bäume, Schnee, Himmel, Wolken usw. Das sind Vorstellungen, von denen ich annehmen muß, daß sie bei ihm auf „identische“ Weise repräsentiert sind. Auch muß ich annehmen, daß sogar noch ursprünglichere Vorstellungen auf ähnliche Weise bei ihmwie bei mir repräsentiert sind: das Erlebnis der Schwerkraft, des Atmens, der Müdigkeit, der Farben usw. vielleicht weniger ursprünglich, aber eine fast ebenso universelle menschliche Qualität ist die Freude beim Erreichen eines Gipfels und der Genuß der Aussicht. Somit können die verwickelten Vorgänge in meinem Gehirn, die jene Freude hervorrufen, direkt vom Freund-Teilsystem ohne großen Verlust an Treue als Vorlage übernommen werden.
Wir könnten nun weitergehen und zu beschreiben versuchen, wie ich eine ganze Erzählung meines Freunds verstehe, eine Erzählung voll von geistigen Erfahrungen und vielen Verwicklungen in menschlichen Beziehungen. Doch würde sich unsere Terminologie bald als unzureichend erweisen. Es gäbe heikle Rekursionen im Zusammenhang mit Repräsentationen in ihm von Repräsentationen in mir von Repräsentationen in ihm von dem oder jenem. Wenn unsere gemeinsamen Freunde in der Erzählung vorkämen, würde ich unbewußt nach Kompromissen zwischen meiner Vorstellung von seinen Repräsentationen von ihnen und meinen eigenen Bildern von ihnen Ausschau halten. Reine Rekursion wäre einfach ein unangebrachter Formalismus zur Bewältigung von Symbolmischungen dieser Art. Und ich habe nur eben die Oberfläche angekratzt! Zur Zeit fehlt uns ganz offensichtlich noch das Vokabular zur Beschreibung der komplexen Interaktionen, die zwischen Symbolen möglich sind. Halten wir also inne, bevor wir im Sumpf steckenbleiben.
Doch sollte man zur Kenntnis nehmen, daß Computersysteme allmählich in Verwicklungen derselben Art geraten, und deshalb hat man einige dieser Begriffe mit Namen versehen. Zum Beispiel ist mein „Berg“-Symbol dem analog, was man im Computer-Jargon shared oder
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