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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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sind, als unendlich große ganze Zahlen. Und das ist der springende Punkt: obgleich S ÄTZE in TNT negative Zahlen, Brüche, irrationale Zahlen und komplexe Zahlen ausschließen können, gibt es doch keine Methode zum Ausschluß unendlich großer ganzer Zahlen. Das Problem liegt darin, daß es keine Methode gibt, die Aussage „es gibt keine unendlichen Größen“ auch nur auszudrücken.
    Das hört sich zunächst recht seltsam an. Wie groß ist die Zahl genau, die mit der Gödel-Nummer von G ein TNT-Beweispaar bildet? (Nennen wir sie ohne tieferen Grund „ l “.) Leider besitzen wir für die Beschreibung der Größe unendlich großer ganzer Zahlen kein passendes Vokabular. Deswegen kann ich leider kein Gefühl für die Größe von l vermitteln. Aber wie groß ist denn i (die Quadratwurzel aus -1)? Ihre Größe kann man sich nicht auf der Grundlage der Größe der vertrauten natürlichen Zahlen vorstellen. Man kann nicht sagten: „Nun, i ist ungefähr halb so groß wie 14 und 9/10 so groß wie 24.“ Man muß sagen: „ i im Quadrat ist -1“ und es mehr oder weniger damit bewenden lassen. Hierzu paßt ein Zitat von Abraham Lincoln. Als man ihn fragte: „Wie lang sollten die Beine eines Mannes sein?“ sagte er gedehnt: „Lang genug, um den Boden zu erreichen.“ So muß man sich mehr oder weniger die Antwort auf die Frage nach der Größe von l denken — es sollte genau die Größe einer Zahl haben, die die Struktur eines Beweises von G spezifiziert— weder größer noch kleiner.
    Selbstverständlich hat ein S ATZ in TNT viele verschiedene Ableitungen; man könnte also einwerfen, daß meine Charakterisierung von l nicht ein-eindeutig ist. Das stimmt. Aber die Parallele mit i (der Quadratwurzel aus -1) gilt noch immer. Man erinnere sich nämlich, daß es eine andere Zahl gibt, deren Quadrat ebenfalls minus eins ist: -i. Nun sind i und -i nicht die gleiche Zahl. Sie haben eine gemeinsame Eigenschaft. Die einzige Schwierigkeit ist die, daß es die sie definierende Eigenschaft ist! Wir müssen eine davon wählen — welche spielt keine Rolle — und sie „ i “ nennen. In Wirklichkeit kann man sie unmöglich voneinander unterscheiden. So wissen wir nicht, ob wir nicht während all dieser Jahrhunderte die Falsche „ i “ genannt haben, und es würde nichts ausmachen. Nun ist i wie l nicht eindeutig definiert. So müssen wir uns also l als eine spezifische von den vielen möglichen übernatürlichen Zahlen vorstellen, die mit der Arithmoquinierung von u TNT-Beweispaare bilden.
Übernatürliche Sätze haben unendlich lange Ableitungen
    Wir haben uns noch nicht frontal der Frage gestellt, was es bedeutet, ~G als Axiom dazuzunehmen. Wir haben es gesagt, aber nicht betont. Der springende Punkt ist der, daß ~G behauptet, daß G bewiesen werden kann. Wie kann ein System überleben, wenn eines seiner Axiome behauptet, daß seine eigene Verneinung einen Beweis habe? Sicher sind wir jetzt in beträchtlichen Schwierigkeiten. Nun, so schlimm ist es nicht, wie man glauben könnte. Solange wir nur endliche Beweise erstellen, werden wir G niemals beweisen. Deshalb wird es niemals zu einem verhängnisvollen Zusammenstoß zwischen G und seiner Verneinung ~G kommen. Die übernatürliche Zahl l wird keine Katastrophe verursachen. Wir werden uns eben an die Vorstellung gewöhnen müssen, daß ~G der Ausdruck ist, der eine Wahrheit ausdrückt („G besitzt einen Beweis“), während G eine Unwahrheit sagt („G besitzt keinen Beweis“). In der normalen Zahlentheorie ist es umgekehrt — aber es gibt in der normalen Zahlentheorie auch keine übernatürlichen Zahlen. Man beachte, daß ein übernatürlicher S ATZ von TNT — nämlich G — eine Unwahrheit behaupten kann, aber alle anderen S ÄTZE mit natürlichen Zahlen noch immer Wahrheiten aussagen.
Übernatürliche Addition und Multiplikation
    Hinsichtlich der übernatürlichen Zahlen gibt es eine außerordentlich merkwürdige und unerwartete Tatsache, die ich dem Leser ohne Beweis mitteilen möchte. (Ich selbst kenne den Beweis auch nicht.) Diese Tatsache erinnert an die Heisenbergsche Unschärferelation in der Quantenmechanik. Es zeigt sich, daß man die übernatürlichen Zahlen auf einfache und natürliche Weise „indizieren“ kann, indem man eine Dreiergruppe von gewöhnlichen ganzen Zahlen (einschließlich der negativen) mit ihnen assoziiert. So könnte etwa unsere ursprüngliche übernatürliche Zahl l die Index-Dreiergruppe (9,-8,3) haben, und ihr Nachfolger l +1 die

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