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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Gruppe (9,-8,4).
    Nun gibt es nicht nur eine Methode zur Indizierung der übernatürlichen Zahlen;verschiedene Methoden bieten verschiedene Vor- und Nachteile. Bei gewissen Indizierungs-Schemata ist es ganz leicht, die Index-Dreiergruppe für die Summe zweier übernatürlicher Zahlen zu berechnen, wenn man die Indices der zu addierenden Zahlen kennt. Bei anderen Indizierungs-Schemata ist es sehr leicht, die Index-Dreiergruppe für das Produkt zweier übernatürlicher Zahlen zu berechnen, wenn man die Indices der beiden zu multiplizierenden Zahlen kennt. Bei keinem Indizierungsschema ist es aber möglich, beide zu berechnen. Genauer gesagt: wenn der Index der Summe vermittels einer rekursiven Funktion berechnet werden kann, dann ist der Index des Produkts keine rekursive Funktion, und umgekehrt, wenn der Index des Produkts eine rekursive Funktion ist, dann ist es der Index der Summe nicht. Deshalb muß man gegenüber übernatürlichen Schulkindern, die ihre übernatürliche Additionstabelle lernen, nachsichtig sein, wenn sie ihre übernatürliche Multiplikationstabelle nicht können — und umgekehrt! Beides zur gleichen Zeit geht nicht.
Übernatürliche Zahlen sind nützlich ...
    Man kann über die Zahlentheorie der übernatürlichen Zahlen hinausgehen und übernatürliche Brüche (Quotienten zweier übernatürlicher Zahlen), übernatürliche reelle Zahlen usw. ins Auge fassen. Tatsächlich kann die Analysis unter Verwendung des Begriffs der übernatürlichen reellen Zahlen neu fundiert werden. Infinitesimalausdrücke wie dx und dy, diese alten Schreckgespenster der Mathematiker, können vollständig gerechtfertigt werden, wenn man sie als die reziproken Werte von unendlich großen reellen Zahlen auffaßt. Gewisse S ÄTZE in der höheren Analysis können vermittels der „Nicht-Standard-Analysis“ anschaulich bewiesen werden.
... aber sind sie reell?
    Nicht-Standard-Zahlentheorie ist verwirrend, wenn man ihr zuerst begegnet. Aber auch die nichteuklidische Geometrie ist ein verwirrendes Thema. In beiden Fällen verspürt man den unwiderstehlichen Drang zu fragen: „Aber welche dieser beiden rivalisierenden Theorien ist richtig? Was ist die Wahrheit?“ In einem gewissen Sinn gibt es auf eine solche Frage keine Antwort. (Und doch gibt es sie in einem anderen Sinn — auf den wir zurückkommen werden.) Der Grund, warum die Frage ohne Antwort bleibt, ist der, daß die beiden rivalisierenden Theorien, obgleich sie die gleichen Ausdrücke verwenden, nicht über die gleichen Begriffe sprechen. Somit sind sie Rivalen nur an der Oberfläche, genau wie euklidische und nichteuklidische Geometrien. In der Geometrie sind die Wörter wie „Punkt“, „Gerade“ usw. undefinierte Ausdrücke, und ihre Bedeutung wird bestimmt durch das axiomatische System, in dem sie Verwendung finden.
    Und so auch mit der Zahlentheorie. Als wir uns entschlossen, TNT zu formalisieren, wählten wir im voraus die Ausdrücke aus, die wir als Interpretationswörter verwenden wollten — zum Beispiel Wörter wie „Zahl“, „plus“, „mal“ usw. Indem wir zur Formalisierungschritten, legten wir uns darauf fest, daß wir jegliche passive Bedeutung akzeptieren würden, die diese Ausdrücke annehmen könnten. Aber genau wie Saccheri rechneten wir nicht mit Überraschungen. Wir glaubten zu wissen, was die wahre, die wirkliche, die einzige Zahlentheorie ist. Wir wußten nicht, daß es gewisse Fragen über Zahlen geben würde, die TNT offen ließ, und die deshalb beliebig durch Erweiterung von TNT in verschiedenen Richtungen beantwortet werden könnten. So gibt es keine Grundlage für die Behauptung, Zahlentheorie sei „in Wirklichkeit“ so oder anders, genau so wie man abgeneigt wäre zu sagen, daß die Quadratwurzel von -1 „in Wirklichkeit“ existiere oder „in Wirklichkeit“ nicht existiere.
Verästelungen in der Geometrie und Physiker
    Es gibt ein Argument, das gegen das Vorstehende ins Feld geführt werden kann und vielleicht sollte. Nehmen wir an, daß Experimente in der wirklichen, physischen Welt weniger aufwendig in einer gewissen Form der Geometrie als in jeder anderen erklärt werden können. Dann ist es vernünftig, zu sagen, daß diese Geometrie „wahr“ ist. Vom Standpunkt des Physikers aus, der die „richtige“ Geometrie verwenden will, ist es darum vernünftig, zwischen der „wahren“ Geometrie und den anderen eine Unterscheidung zu treffen. Das darf man aber nicht zu stark vereinfacht sehen. Physiker haben es immer mit

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