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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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von denen nur die Spitzen sichtbar sind. Die Wortfolgen sind die Spitzen der Eisberge, und die Arbeit, die zu ihrem Verständnis nötig ist, entspricht dem verborgenen Teil des Eisbergs. In diesem Sinn ist ihre Bedeutung implizit, nicht explizit. Selbstverständlich gibt es keinen Satz, dessen Sinn vollständig explizit ist, aber je expliziter die Selbstbezüglichkeit ist, um so klarer treten die zugrundeliegenden Mechanismen zutage. Um in unserem Fall die Selbstbezüglichkeit der obigen Sätze zu erkennen, muß man sich nicht nur in einer Sprache wie etwa dem Deutschen zu Hause fühlen, in der man mit linguistischem Material umgehen kann, sondern man muß auch ausfindig machen, auf was sich die Wendung „dieser Satz“ bezieht. Das scheint einfach, hängt aber von unserer sehr komplexen, jedoch völlig selbstverständlich gewordenen Fähigkeit ab, das Deutsche zu handhaben. Ganz besonders wichtig ist hier die Fähigkeit, festzustellen, worauf sich eine Wendung mit einem Hauptwort und einem Demonstrativpronomen bezieht. Diese Fähigkeit entwickelt sich langsam, und man sollte sie keineswegs als trivial betrachten. Die Schwierigkeit wird vielleicht noch deutlicher, wenn man einen Satz wie Nr. 4 jemandem vorlegt, der Paradoxien undsprachlichen Tricks gegenüber naiv ist, wie etwa ein Kind. Er kann sagen: „Welcher Satz ist falsch?“, und dann bedarf es vielleicht einiger Beharrlichkeit, ihn von der Vorstellung zu überzeugen, daß der Satz von sich selber spricht. Zunächst einmal ist das alles etwas verblüffend. Ein paar Bilder helfen vielleicht weiter (Abb. 83, 84). Abb. 83 ist ein Bild, das sich auf zwei Stufen interpretieren läßt. Auf der einen Seite ist es ein Satz, der auf sich selbst zielt; auf der anderen ein Bild des Epimenides, der sein eigenes Todesurteil vollstreckt.

    Abb. 83 .
    Abb. 84 zeigt die sichtbaren und die unsichtbaren Teile des Eisbergs und gibt eine Andeutung der relativen Proportionen zwischen dem Satz und der Verarbeitung, die zur Wahrnehmung des Selbstbezugs nötig ist.

    Abb. 84 .
    Amüsant ist der Versuch, sämtliche selbstbezüglichen Sätze zu erzeugen, ohne sich des Tricks zu bedienen, „dieser Satz“ zu sagen. Man könnte etwa versuchen, einen Satz innerhalb seiner selbst zu zitieren, zum Beispiel:
    Der Satz „Der Satz enthält fünf Wörter“ enthält fünf Wörter.
    Doch schlägt ein solcher Versuch fehl, denn jeder Satz, der zur Gänze innerhalb seiner selbst zitiert werden sollte, müßte kürzer als er selbst sein. Das ist tatsächlich möglich, aber nur dann, wenn man bereit ist, unendlich lange Sätze gelten zu lassen, wie zum Beispiel:
    Der Satz
    „Der Satz
    „Der Satz
    „Der Satz

    ist unendlich lang.“
    ist unendlich lang.“
    ist unendlich lang.“
    ist unendlich lang.
    Für endliche Sätze kann das jedoch nicht funktionieren. Aus dem gleichen Grund könnte die Gödelkette G nicht das explizite Zahlwort für seine Gödelnummer enthalten; es würde nicht passen. Keine Kette von TNT kann das TNT-Zahlwort für ihre eigene Gödelnummer enthalten, denn ein Zahlwort enthält immer mehr Symbole als die Kette selbst. Doch das kann man umgehen, indem man G eine Beschreibung seiner eigenen Gödelnummer vermittels der Begriffe „sub“ und „Arithmoquinierung“ enthalten läßt.
    Eine Methode, um in einem deutschen Satz Selbstbezüglichkeit vermittels einer Beschreibung anstatt eines Selbstzitats oder des Gebrauchs der Wendung „dieser Satz“ herzustellen, ist die von Quine, die im Dialog Die "Air“ in G illustriert wurde. Das Verständnis des Quine-Satzes erfordert weniger subtile mentale Verarbeitung als die vier früher zitierten Beispiele. Wenn er zunächst auch komplizierter erscheinen mag, ist er in gewisser Weise expliziter. Die Quine-Konstruktion ist der Gödel-Konstruktion ganz ähnlich, da sie Selbstbezüglichkeit erzeugt, indem sie ein anderes typographisches Gebilde beschreibt, das, wie sich zeigt, dem Quine-Satz selbst isomorph ist. Diese Beschreibung des neuen typographischen Gebildes wird von zwei Teilen des Quine-Satzes ausgeführt. Der eine Teil ist eine Anzahl von Befehlen, die sagen, wie eine gewisse Wendung aufzubauen ist, während der zweite Teil die zu verwendenden Konstruktionsmaterialien enthält, das heißt: der andere Teil ist ein Schablone. Sie sieht eher wie ein schwimmendes Stück Seife aus denn wie ein Eisberg (Abb. 85).

    Abb. 85 .
    Dieser Satz erzielt Selbstbezüglichkeit unmittelbarer als die Epimenides-Paradoxie; es sind weniger

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