Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Jeder Base in einem Strang liegt eine komplementäre Base gegenüber und bindet sie an sich. Die Komplemente sind wie in der Typogenetik: A paart sich mit T und C mit G. Ein Purin paart sich immer mit einem Pyrimidin.
Verglichen mit den starken kovalenten Bindungen entlang des Rückgrats sind die Bindungen zwischen den Strängen recht schwach. Es sind keine kovalenten Bindungen, sondern Wasserstoffbrücken. Eine Wasserstoffbrücke ergibt sich, wenn zwei Molekularkomplexe so angeordnet sind, daß ein Wasserstoffatom, das ursprünglich einer der beiden angehörte, „in Verwirrung“ gerät, welchem es angehört, und zwischen den beiden Komplexen schwebt und schwankt, welchem es sich anschließen soll. Weil die zwei Hälften der zweisträngigen DNS nur durch Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden, lassen sie sich verhältnismäßig leicht trennen und zusammensetzen, und diese Tatsache ist für das Funktionieren von Zellen von großer Bedeutung.
Wenn DNS Doppelstränge bildet, ranken sich die beiden Stränge wie Schlingpflanzen umeinander (Abb. 93). Es gibt genau zehn Nukleotidenpaare pro Umdrehung; mit anderen Worten: der Drehwinkel pro Nukleotid ist 36°. Einsträngige DNS weist keine solchen Windungen auf, da sie eine Folge der Basenpaarung sind.
Boten-RNS und Ribosome
Wie bereits gesagt, wohnt die DNS, die Herrscherin der Zelle, in vielen Zellen in ihrem privaten Thronsaal, dem Zellkern. Jedoch spielt sich das meiste „Leben“ in einer Zelle außerhalb des Kerns ab, nämlich im Cytoplasma, dem „Hintergrund“ der „Figur“ des Kerns. Insbesondere werden Enzyme, die praktisch jeden Lebensprozeß in Gang setzen, von Ribosomen im Cytoplasma erzeugt, und sie verrichten den größten Teil der Arbeit im Cytoplasma. Und genau wie in der Typogenetik sind die Blaupausen für alle Enzyme in den Strängen aufbewahrt, das heißt in der DNS, die in ihrem eigenen kleinen Kernhaus geschützt bleibt. Wie gelangt also die Information über Enzymstrukturen vom Kern zu den Ribosomen?
Hier tritt die mRNS („messenger RNS“ = „Boten-RNS“) in Aktion. Die mRNS dient dazu, die Information oder Botschaft der in der „Kernkammer“ gespeicherten DNS zu den Ribosomen im Cytoplasma hinauszutragen. Wie geht das vor sich? Das Prinzip ist leicht zu verstehen: Eine besondere Art von Enzymen innerhalb des Kerns kopiert getreulich lange Abschnitte der Folge der DNS-Basen auf einen neuen Strang, einen Strang von Boten-RNS. Dieses mRNS verläßt dann den Kern und wandert in das Cytoplasma, wo es auf viele Ribosome stößt, die mit der Arbeit beginnen, Enzyme herzustellen.
Den Vorgang, durch den im Kern DNS auf mRNS kopiert wird, nennt man Transkription; bei diesem Vorgang muß die doppelsträngige DNS in zwei Einzelstränge getrennt werden, von denen der eine als Schablone für die mRNS dient. Übrigens steht „RNS“ für „Ribonukleinsäure“, und es ist der DNS sehr ähnlich, nur daß alle seine Nukleotiden das spezielle Sauerstoffatom besitzen, das den DNS-Nukleotiden abgeht.
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Abb. 93 . Molekularmodell der DNS-Doppelhelix. [Aus: Vernon M. Ingram, Biosynthesis, Menlo Park, Calif. 1972, S. 13.]
Deshalb wird das Präfix „desoxy“ weggelassen. Außerdem besitzt RNS anstelle von Thymin die Base Uracil, so daß sich die Information in RNS-Strängen durch beliebige Folgen der vier Buchstaben „A“, „C“, „G“ und „U“ darstellen läßt. Wenn nun mRNS von DNS transkribiert wird, läuft der Vorgang der Transkription über die übliche Basenpaarung (nur mit U anstatt T), so daß eine DNS-Schablone und die ihr zugehörige mRNS etwa folgendermaßen aussehen könnte:
DNS . . . . . . .
CGTAAATCAAGTCA
. . . . . (Schablone)
mRNS . . . . . . .
GCAUUUAGUUCAGU
. . . . . („Kopie“)
Im allgemeinen bildet RNS keine langen Doppelstränge mit sich selbst, kann es aber tun. Deshalb findet man sie vorwiegend nicht in der für DNS charakteristischen Helix-Form, sondern in langen, etwas regellos gekrümmten Strängen.
Wenn ein mRNS-Strang dem Kern entwichen ist, stößt er auf jene seltsamen subzellularen Kreaturen namens „Ribosome“ — bevor wir aber erklären, wie ein Ribosom mRNS verwendet, möchte ich einige Bemerkungen über Enzyme und Proteine anbringen. Enzyme gehören in die allgemeine Kategorie von Biomolekülen, die man Proteine nennt, und die Aufgabe der Ribosome ist es, alle Proteine — nicht nur die Enzyme herzustellen. Proteine, die keine Enzyme sind, sind weit passivere Gebilde; viele
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