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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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ergibt, einfach ihrer Unhandlichkeit wegen geopfert werden. Damit opfert man aber nicht den Glauben, daß eine solche Erklärung prinzipiell existiert.
Transfer-RNS und Ribosome
    Wir kehren nun zu Ribosomen, RNS und Proteinen zurück. Wir haben festgestellt, daß ein Protein von einem Ribosom gemäß der Blaupause erzeugt wird, die aus den „königlichen Gemächern“ der DNS durch den Boten RNS hinausgetragen wurde. Das scheint die Vermutung nahezulegen, daß das Ribosom aus der Sprache des Codons in die der Aminosäuren übersetzen kann, und das bedeutet, daß das Ribosom den genetischen Code „kennt“. So viel Information ist aber in einem Ribosom einfach nicht vorhanden. Wie geht es also vor? Wo ist der genetische Code eigentlich? Die merkwürdige Tatsache ist, daß der genetische Code in der DNS selbst aufbewahrt wird — wo sonst? Das bedarf sicher einiger erklärender Bemerkungen.
    Sehen wir im Augenblick von einer vollständigen Erklärung ab, und geben wir eine Teilerklärung. In jedem Augenblick schwimmt im Cytoplasma eine große Anzahl von Molekülen in der Form eines vierblättrigen Kleeblatts. Lose befestigt (d. h. mit Wasserstoffbrücke) an ein Blatt ist eine Aminosäure, und am entgegengesetzten Blatt befindet sich eine Dreiergruppe von Nukleotiden, die man Anticodon nennt. Für unsere Zwecke sind die beiden anderen Blätter ohne Belang. Diese „Kleeblätter“ werden von den Ribosomen bei der Herstellung von Proteinen wie folgt verwendet: Wenn ein

Abb. 96 . Ein Teil eines mRNS-Strangs passiert ein Ribosom. In der Nähe schwimmen tRNS-Moleküle, die Aminosäuren tragen, welche vom Ribosom abgeschält und dem wachsenden Protein angefügt werden. Der Genetische Code ist in den tRNS-Molekülen kollektiv enthalten. Man beachte, wie die Basenpaarung (A-U, C-G) in dem Diagramm durch miteinander verzahnte Buchstabenformen wiedergegeben wird. [Zeichnung von Scott E. Kim.]
    neues Codon von mRNS im „Tonkopf“ des Ribosoms einrastet, reicht das Ribosom in das Cytoplasma und hängt sich ein Kleeblatt an, dessen Anticodon zu dem mRNSCodon komplementär ist. Dann zieht es das Kleeblatt in eine solche Lage, daß es die Aminosäure des Kleeblatts abschälen und es dem Protein kovalent anhängen kann. (Übrigens ist die Bindung zwischen zwei benachbarten Aminosäuren in einem Protein sehr stark; man nennt das eine „Peptidbindung“. Aus diesem Grund bezeichnet man Proteine manchmal als „Polypeptide“,) Es ist natürlich kein Zufall, daß die „Kleeblätter“ die richtigen Aminosäuren tragen, denn sie sind alle nach genauen Anweisungen im „Thronsaal“ angefertigt worden.
    Der wirkliche Name für ein solches Kleeblatt lautet Transfer-RNS. Ein tRNS-Molekül ist ganz klein — es hat etwa die Größe eines sehr kleinen Proteins und besteht aus einer Kette von etwa achtzig Nukleotiden. Wie die mRNS-Moleküle werden auch die der tRNS durch eine Transkription von der großen Schablone DNS hergestellt. Doch sind tRNSs im Vergleich mit den riesigen mRNS-Molekülen winzig, die Tausende von Nukleotiden in einer langen, langen Kette enthalten. Auch ähnelt tRNS den Proteinen (und ist darin den mRNS-Strängen unähnlich) in dem Sinn, daß sie feste, wohldefinierte Tertiärstrukturen, bestimmt durch ihre Primärstruktur, besitzt. Die Tertiärstruktur eines tRNS-Moleküls gestattet genau einer Aminosäure, sich an die ihr zugehörige Stelle zu binden; mit Sicherheit handelt es sich um diejenige, die nach dem genetischen Code durch das Anticodon auf dem gegenüberliegenden Arm vorgeschrieben ist. Ein ausdrückliches Bild vom Funktionieren der tRNS-Moleküle ergibt sich, wenn man sie sich als „Spickzettel“ vorstellt, die in einer Wolke um einen Simultandolmetscher herumschweben, der eine aus der Luft holt — und zwar unfehlbar die richtige! —, wann immer er ein Wort übersetzen muß. In diesem Fall ist der Dolmetscher das Ribosom, die Wörter sind Codons und ihre Übersetzungen sind Aminosäuren.
    Damit die innere Botschaft von DNS von den Ribosomen entschlüsselt werden kann, müssen die tRNS-Spickzettel im Cytoplasma herumschwimmen. In einem gewissen Sinn enthalten die tRNS den Kern der äußeren Botschaft der DNS, da sie die Schlüssel für den Translationsvorgang bilden. Doch sind sie selbst aus der DNS gekommen. So versucht die äußere Botschaft ein Teil der inneren Botschaft zu sein — man erinnert sich an die Flaschenpost, die uns sagt, in welcher Sprache sie verfaßt wurde. Natürlich kann nicht

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