Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
es in mRNS transkribiert (wonach die Reproduktion garantiert ist). Jede Phagen-DNS, der es gelingt, sich auf diese Weise zu reproduzieren, kann so betrachtet werden, daß es auf hoher Stufe interpretiert werden kann als: „Ich kann in Zellen vom Typus X reproduziert werden.“ Das ist zu unterscheiden von der früher erwähnten, vom evolutionären Standpunkt aus sinnlosen Art von Phagen, die für Proteine codiert sind, welche sie zerstören — und deren Interpretation auf hoher Stufe sich selbst aufhebt: „Ich kann nicht in Zellen vom Typus X reproduziert werden.“
Henkin-Sätze und Viren
Nun haben beide dieser gegensätzlichen Arten von Selbstbezüglichkeit in der Molekularbiologie ihre Entsprechung in der mathematischen Logik. Wir haben die Entsprechungen der sich selbst aufhebenden Phagen bereits besprochen — nämlich Ketten vom Gödel-Typ, die behaupten, daß sie in spezifischen formalen Systemen produziert werden können. Aber man kann auch ein Satz-Gegenstück zu einem wirklichen Phagen herstellen: der Phage behauptet seine eigene Produzierbarkeit in einer spezifischen Zelle, und der Satz behauptet seine eigene Produzierbarkeit in einem spezifischen formalen System. Sätze dieser Art nennt man Henkin-Sätze, nach dem mathematischen Logiker Leon Henkin. Sie können ganz ähnlich wie Gödelsätze konstruiert werden; der einzige Unterschied ist der, daß ein Verneinungszeichen weggelassen wird. Man beginnt natürlich mit einem „Onkel“:
∃a : ∃a ':< TNT-BEWEISPAAR { a , a '}∧ ARITHMOQUINE { a '', a' }>
und macht dann mit dem Standardtrick weiter. Nehmen wir an, die Gödelnummer des obigen „Onkels“ sei h. Indem man nun eben diesen Onkel arithmoquiniert, erhält man einen Henkin-Satz:
∃a : ∃a ':< TNT-BEWEISPAAR { a , a '}∧ ARITHMOQUINE { SSS ... SSS0 / a '', a' }>
∃a : ∃a ':< TNT-BEWEISPAAR { a , a '}∧ ARITHMOQUINE {
∃a : ∃a ':< TNT-BEWEISPAAR { a , a '}∧ ARITHMOQUINE { SS h S ' s
(Können Sie übrigens herausfinden, wie der Satz sich von ~G unterscheidet?) Ich will das explizit zeigen, um zu betonen, daß ein Henkin-Satz kein vollständiges Rezept für seine eigene Ableitung gibt; er behauptet lediglich, daß eine existiert. Man kann sich wohl fragen, ob diese Behauptung gerechtfertigt ist. Besitzen Henkin-Sätze Ableitungen? Sind sie, wie behauptet, S ÄTZE ? Es ist nützlich, sich daran zu erinnern, daß man einem Politiker, der „Ich bin ehrlich“ sagt, nicht zu glauben braucht. Vielleicht ist er ehrlich, vielleicht auch nicht. Sind Henkin-Sätze vertrauenswürdiger als Politiker?
Es stellt sich heraus, daß diese Henkin-Sätze so unbezweifelbar, wie Menschen fünf Finger an einer Hand haben, die Wahrheit sagen. Warum dem so ist, ist nicht so leicht zu erkennen, aber wir wollen diese kuriose Tatsache unbewiesen zur Kenntnis nehmen.
Explizite und implizite Henkin-Sätze
Ich habe erwähnt, daß ein Henkin-Satz uns nichts über seine eigene Ableitung sagt; er behauptet einfach, daß eine existiert. Nun ist es möglich, eine Variante zum Thema der Henkin-Sätze zu erfinden — nämlich Sätze, die ihre eigene Ableitung explizit beschreiben.
Die Interpretation einer solchen Aussage auf hoher Stufe lautet nicht: „Es existiert eine Folge von Zeichenketten die eine Ableitung von mir ist“, sondern vielmehr: „Die hier beschriebene Folge von Zeichenketten ... ist eine Ableitung von mir.“ Nennen wir den ersten Typus einen impliziten Henkin-Satz. Die neuen Sätze werden wir explizit nennen, da sie ihre eigene Ableitung explizit beschreiben. Man beachte, daß HenkinSätze im Gegensatz zu ihren impliziten Schwestern nicht S ÄTZE zu sein brauchen. Tatsächlich ist es ganz leicht, eine Zeichenkette niederzuschreiben, die behauptet, daß ihre eigene Ableitung aus dem einzigen Strang 0 = 0 besteht — eine Fehlbehauptung, da 0=0 keine Ableitung von irgendetwas darstellt. Es ist aber auch möglich, einen expliziten Henkin-Satz niederzuschreiben, der ein S ATZ ist— d. h. ein Satz, der tatsächlich ein Rezept für seine eigene Ableitung liefert.
Henkin-Sätze und Selbstaufbau
Der Grund, warum ich diese Unterscheidung zwischen expliziten und impliziten Henkin-Sätzen aufs Tapet bringe, ist der, daß sie sehr gut einer wichtigen Unterscheidung zwischen zwei Typen von Viren entspricht. Es gibt gewisse Viren, wie z. B. das sogenannte „Tabakmosaik-Virus“, die man selbstaufbauend nennt, und andere, wie z. B. unsere Favoriten, die T-Geraden, die es nicht sind. Worin besteht dieser
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