Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Unterschied. Er ist genau analog dem zwischen impliziten und expliziten Henkin-Sätzen.
Die DNS eines „selbstaufbauenden“ Virus codiert nur die Teile eines neuen Virus, aber nicht irgendwelche Enzyme. Wenn die Teile hergestellt sind, verläßt sich dieses hinterlistige Virus darauf, daß sie sich ohne die Hilfe von Enzymen miteinander verbinden. Ein solcher Vorgang hängt von der chemischen Affinität ab, die die Teile für einander haben, wenn sie in der reichen chemischen Suppe einer Zelle schwimmen. Nicht nur Viren, sondern auch Organellen — wie etwa die Ribosomen — fügen sich selbst zusammen. Manchmal sind Enzyme nötig — aber in solchen Fällen werden sie der Wirtzelle entnommen und versklavt. Das versteht man unter Selbst-Aufbau.
Im Gegensatz dazu codieren die DNSs komplexerer Viren, wie etwa die der T-Geraden, nicht nur die Teile, sondern überdies verschiedene Enzyme, die bei der Zusammensetzung des Ganzen aus seinen Teilen eine besondere Rolle spielen. Da die Zusammensetzung nicht spontan ist, sondern „Maschinen“ braucht, betrachtet man solche Viren nicht als selbstaufbauend. Das Wesentliche an der Unterscheidung zwischen selbstaufbauend und nicht-selbstaufbauend liegt darin, daß die ersten die Selbstreproduktion bewerkstelligen, ohne der Zelle etwas über ihre Konstruktion zu sagen, während die letzten Anweisungen geben müssen, wie die Teile zusammenzusetzen sind.
Die Parallelen zum impliziten und expliziten Henkin-Satz sollten nunmehr klar sein. Implizite Henkin-Sätze beweisen sich selbst, sagen aber gar nichts über diese Beweise aus — sie sind den selbstaufbauenden Viren analog. Explizite Henkin-Sätze geben Anweisungen zum Aufbau ihrer eigenen Beweise — sie sind den komplexeren Viren analog, die ihre Wirtzellen anleiten, Kopien ihrer selbst zusammenzufügen.
Die Vorstellung von sich selbst aufbauenden biologischen Strukturen von der Komplexität eines Virus wirft die Frage nach einer sich selbst aufbauenden Maschine auf. Man stelle sich eine Menge von Teilen vor, die, wenn man sie in eine angemessene und günstige Umgebung versetzt, sich spontan so gruppieren, daß sie eine komplexe Maschine bilden. Es scheint unwahrscheinlich, und doch ist es eine ziemlich genaue Beschreibung des Vorgangs, mit dem das Tabakmosaik-Virus sich selbst aufbaut. Die Information für die völlige Ausbildung des Organismus (oder der Maschine) ist über ihre Einzelteile verstreut und nicht an einer einzelnen Stelle konzentriert.
Nun kann uns diese Vorstellung in seltsame Richtungen führen, wie wir bei den Erbaulichen Gedanken eines Tabakrauchers sahen. Dort sahen wir, wie der Krebs von der Tatsache Gebrauch machte, daß Information für den Aufbau überall verstreut, anstatt an einer einzelnen Stelle konzentriert sein kann. Er hoffte, daß das die neuen Grammophone davor bewahren würde, der grammophonzerschmetternden Methode von Herrn Schildkröte zu erliegen. Wenn das System niedergelegt und in eine Schachtelverpackt ist, macht wie bei den ausgefeiltesten Axiomen-Schemata seine Wohldefiniertheit es einem hinlänglich gewitzten „Gödelisator“ gegenüber anfällig, und das war die traurige Geschichte, die der Krebs erzählte. Trotz seiner offensichtlichen Absurdität ist das phantastische Szenarium dieses Dialogs von der seltsamen, surrealen Welt der Zelle gar nicht so weit entfernt.
Zwei Hauptprobleme: Differenzierung und Morphogenese
Vielleicht ist Selbstaufbau der Trick, vermöge dessen gewisse Teile der Zellen und gewisse Viren aufgebaut sind. Wie steht es aber mit den komplexesten makroskopischen Strukturen wie dem Körper des Elefanten oder einer Spinne oder der Form einer fleischfressenden Pflanze? Wie ist der Heimkehrinstinkt in das Gehirn eines Vogels eingebaut oder der Jagdinstinkt in das eines Hundes? Kurz, wie kommt es, daß die DNS einfach dadurch, daß sie diktiert, welche Proteine in den Zellen zu erzeugen sind, eine so auffallend genaue Kontrolle über die genaue Struktur und Funktion makroskopischer Lebewesen ausüben kann? Hier liegen zwei verschiedene wichtige Probleme vor. Das erste ist das der Zelldifferenzierung: wie erfüllen verschiedene Zellen, die genau die gleiche DNS besitzen, verschiedene Rollen, zum Beispiel eine Nierenzelle, eine Knochenmarkzelle, eine Gehirnzelle? Das andere Problem ist das der Morphogenese („Entstehung der Form“). Wie ergeben sich aus den Kommunikationen der Zelle auf einer örtlich beschränkten Ebene Gebilde großen Maßstabs, globale
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