Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
wahrscheinlich für den Molekularbiologen von geringem Nutzen ist (und die für ihn wohl auf der Hand liegt):
Es ist immer möglich, einen DNS-Strang zu entwerfen, der, in eine Zelle injiziert, die Herstellung von Proteinen veranlassen würde, welche die Zelle (oder die DNS) zerstören würden, und deshalb in der Nicht-Reproduktion dieser DNS resultieren würde.
(a) 00000000000000000000000000000000000000000000 (b)
Abb. 101 . Das T4-Virus ist aus Proteinbestandteilen zusammengesetzt (a). Der „Kopf“ ist eine Proteinmembran in Form eines in die Länge gezogenen Ikosaeders mit 30 Facetten und mit DNS gefüllt. Er ist durch einen Hals an einem „Schwanz“ befestigt, der aus einem hohlen Kern und einer kontraktilen Scheide besteht. Sie stehen auf einer stacheligen Grundplatte, an der sechs Tentakel befestigt sind. Die Stachel und Tentakel halten das Virus an der Zellwand eines Bakteriums fest (b). Die Scheide zieht sich zusammen, treibt so den Kern durch die Zellwand, und virale DNS dringt in die Zelle ein. [Aus: Hanawalt und Haynes, The Chemical Basis of Life, S. 230.]
Das beschwört ein etwas seltsames Szenarium herauf, jedenfalls im Licht der Evolution betrachtet: Ein Virus dringt heimlicherweise in eine Zelle ein und sorgt dann für die Herstellung von Proteinen, welche die Wirkung haben, das Virus selbst zu zerstören! Es ist eine Art Selbstmord oder, wenn man so will, ein Epimenides-Satz auf der Molekularstufe. Offensichtlich wäre das vom Standpunkt des Überlebens der Spezies nicht vorteilhaft. Indessen zeigt es den Geist, wenn auch nicht den Buchstaben der Schutz- und Subversiv-Mechanismen, die Zellen und ihre Eindringlinge entwickelt haben.
E. Coli contra T4
Schauen wir uns die Lieblingszelle der Biologen an, nämlich die des Bakteriums Escherichia coli (mit M. C. Escher nicht verwandt), und einen der bevorzugten Eindringlinge dieser Zelle: den sinistren und unheimlichen T4-Phage (s. Abb. 101). (Übrigens sind die Wörter „Virus“ und „Phage“ synonym und bedeuten „Angreifer von Bakterienzellen“.) Dieses bedrohliche Ding sieht ein bißchen wie eine Kreuzung zwischen einer Mondlandefähre und einem Moskito aus — aber es ist viel unheilvoller als jene. Es besitzt einen „Kopf“, in dem sein ganzes „Wissen“ — nämlich seine DNS untergebracht ist; es hat sechs „Beine“, mit denen es sich an der Zelle befestigt, in die es eindringenwill, und es besitzt wie ein Moskito einen „Stachel“ (den man besser aber als „Schwanz“ bezeichnet). Der Hauptunterschied liegt darin, daß es im Gegensatz zum Moskito, das seinen Stachel zum Blutsaugen gebaucht, den seinen dazu verwendet, um seine Erbmasse gegen den Willen des Opfers in die Zelle zu injizieren. So begeht der Phage eine „Vergewaltigung“ in winzigem Maßstab.
Ein molekulares Trojanisches Pferd
Was geschieht eigentlich, wenn die virale DNS in eine Zelle eindringt? Um es anthropomorph zu sagen: Das Virus „hofft“, daß seine DNS genau so behandelt wird wie die der Wirtzelle. Das würde bedeuten, daß sie transkribiert und übersetzt würde, was ermöglichen würde, die Synthese spezifischer eigener Proteine zu veranlassen, die der Wirtzelle fremd sind und die dann mit ihrer Arbeit beginnen. Das läuft darauf hinaus, daß insgeheim fremde Proteine „im Code“ (d. h. dem genetischen Code) „decodiert“ (nämlich produziert) werden.
In gewisser Weise erinnert das an die Geschichte vom Trojanischen Pferd, nach der Hunderte von Soldaten in einem harmlos aussehenden hölzernen Pferd sich nach Troja einschlichen; als sie aber in der Stadt waren, brachen sie aus und bemächtigten sich derselben. Die fremden Proteine treten, nachdem sie einmal aus Ihrer Träger-DNS „entschlüsselt“ (synthetisiert) sind, in Aktion. Die von T4-Phagen diktierte Folge von Vorgängen ist eingehend erforscht worden, mehr oder weniger läuft folgendes ab (siehe auch Abb. 102 und 103 ):
Zeit
Vorgang
0 Min.
Injektion von viraler DNS.
1 Min.
Zusammenbruch der Wirt-DNS. Beendigung der Erzeugung eigener Proteine und Beginn der Produktion von fremden (T4). Gleich zu Beginn werden unter anderem jene hergestellt, die die Replikation der fremden (T4-)DNS verursachen.
5 Min.
Beginn der Replikation von viraler DNS.
8 Min.
Beginn der Produktion von strukturalen Proteinen, welche die „Körper“ neuer Phagen bilden.
13 Min.
Erste vollständige Replikation des T4-Eindringlings ist hergestellt.
25 Min.
Lysozyme (eine Proteinart) greifen die Wand der
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