Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
System ist, bleibt die Tatsache bestehen, daß die Mathematiker nur mit einfachen und eleganten Systemen arbeiten, Systemen, in denen alles mit äußerster Klarheit definiert ist; das Gehirn aber mit seinen zehn Milliarden oder mehr halb-unabhängigen Neuronen, die sozusagen zufällig miteinander verknüpft sind, ist etwas völlig anderes. So würden die Mathematiker nie die Netzwerke eines wirklichen Gehirns untersuchen. Und wenn man „Mathematik“ als das definiert, was die Mathematiker gern tun, dann sind die Eigenschaften des Gehirns nicht mathematisch.
Die einzige Methode zum Verständnis eines so komplexen Systems, wie das Gehirn eines ist, ist die der Ballung auf immer höherer Ebene, wobei man bei jedem Schritt etwas an Genauigkeit einbüßt. Was auf der obersten Stufe in Erscheinung tritt, ist das „informale System“, das so vielen Regeln von solcher Komplexität gehorcht, daß wir das Vokabular, in dem wir darüber nachdenken könnten, noch nicht besitzen. Und eben das hofft die Erforschung der Artifiziellen Intelligenz zu finden. Sie hat ein ganz anderes „Flair“ als mathematische Forschungen. Dennoch besteht eine lockere Beziehung zur Mathematik. AI-Forscher haben oft einen stark mathematisch getönten Hintergrund, und Mathematiker sind manchmal von den Leistungen des eigenen Gehirnsfasziniert. Der folgende Passus aus Stanislaw Ulams autobiographischem Buch Adventures of a Mathematician (New York 1976) illustriert diesen Punkt:
Mir scheint, daß man mehr tun könnte, um das Wesen von Assoziationen zu bestimmen, wobei Computer das Material für solche Experimente liefern würden. Eine solche Untersuchung bedürfte einer Skala von Begriffen, von Symbolen, von Klassen von Symbolen, von Klassen von Klassen usw. auf die gleiche Weise, wie wenn man die Komplexität physikalischer Strukturen erforscht.
Der Fluß der Gedanken muß einen gewissen „Dreh“ besitzen, eine rekursive Formel. Eine Gruppe von Neuronen beginnt automatisch zu arbeiten, manchmal ohne Impuls von außen. Es ist eine Art wiederholbarer Prozeß mit einem wachsenden Muster. Es wandert im Gehirn umher, und die Art, wie das geschieht, muß von der Erinnerung an andere Muster abhängen.
Intuition und der magnifike Krebs
Artifizielle (oder: künstliche) Intelligenz wird häufig einfach „AI“ genannt. Häufig, wenn ich den Sinn dieses Ausdrucks zu erklären suche, sage ich, daß die Buchstaben „AI“ genauso gut für „Artifizielle Intuition“ oder sogar „Artifizielle Imagination“ stehen könnten. AI will klären, was geschieht, wenn unser Geist aus Myriaden von Möglichkeiten diejenigen aussucht, die in einer sehr komplexen Situation am vernünftigsten sind. In vielen Situationen des täglichen Lebens ist deduktives folgerichtiges Denken unangebracht — nicht weil es falsche Antworten, sondern weil es soviel richtige, aber irrelevante Aussagen, die gemacht werden könnten, ergäbe: es sind einfach zuviele Dinge gleichzeitig in Betracht zu ziehen, als daß Logik allein genügte. Man schaue sich diesen Mini-Dialog an:
„Vor kurzem las ich in der Zeitung, daß ...
„Ach, Sie haben gelesen? Daraus folgt, daß Sie Augen haben. Oder mindestens ein Auge. Oder vielmehr, daß Sie damals mindestens ein Auge hatten.“
Hier ist ein Gefühl für das Angemessene — „Was ist wichtig und was nicht?“ — vonnöten. Damit in Zusammenhang steht ein Gefühl für Einfachheit und Schönheit. Woher kommen diese Intuitionen? Wie können Sie aus dem zugrundeliegenden formalen System auftauchen?
Im Magnifikrebs treten einige ungewöhnliche geistige Kräfte des Krebses zutage. Seine eigene Aussage über seine Kräfte ist einfach die, daß er der Musik zuhört und das Schöne vom Nicht-Schönen unterscheidet. (Anscheinend gibt es dabei für ihn einen klaren Trennungsstrich.) Nun findet Achilles eine andere Möglichkeit, die Fähigkeit des Krebses zu beschreiben: Der Krebs teilt zahlentheoretische Aussagen in die Kategorien wahr und falsch ein. Der Krebs jedoch behauptet, das geschehe, wenn er es tue, ganz zufällig, denn nach seiner eigenen Aussage ist er ja mathematisch unbegabt. Das Vorgehen des Krebses ist für Achilles unverständlich, weil es offensichtlich im Widerspruch zu einem berühmten Satz der Metamathematik steht, mit dem Achilles vertraut ist:
C HURCHS S ATZ : Es gibt keine unfehlbare Methode zur Unterscheidung von S ÄTZEN in TNT von Nicht-S ÄTZEN .
Er wurde im Jahre 1936 von dem amerikanischen Logiker Alonzo Church
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