Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Stückchen hereingerollt, und jeder nimmt sein Lieblingsgebäck.)
Achilles: Herr K., ich wüßte doch gar zu gern, was Sie von einem anderen Stück halten, das ich soeben in meinem Kopf komponiert habe.
Krebs: Können Sie es mir zeigen? Hier, schreiben Sie es auf die Serviette.
(Achilles schreibt:
∀a : ∃b : ∃c :<~ ∃d : ∃e :<( SSd · SSe )= b ∨( SSd · SSe )= c >∧( a + a )=( b + c )>
Der Krebs und Herr Schildkröte betrachten es interessiert.)
Schildkröte: Ist das in Ihren Augen ebenfalls ein schönes Stück, Herr K.?
Krebs: Nun, äh ... (Rückt seinen Stuhl zurecht und schaut etwas unbehaglich drein.)
Achilles: Was ist denn los? Ist es schwieriger als bei anderen Stücken zu entscheiden, ob es schön ist?
Krebs: Nein ... das ist es nicht, überhaupt nicht. Es geht mehr darum ... das heißt ... nun, daß ich ein Stück HÖREN muß, bevor ich sagen kann, wie sehr ich es mag.
Achilles: Also los. Spielen Sie es! Ich wüßte allzugerne, ob Sie es schön finden oder nicht.
Krebs: Natürlich. Ich würde es sehr gerne für Sie spielen, nur ...
Achilles: Können Sie es denn nicht? Was ist denn los? Was hindert Sie denn daran?
Schildkröte: Sehen Sie denn nicht, Achilles, daß es äußerst unbehaglich und für die Besucher und Angestellten dieses feinen Hauses störend und belästigend wäre, wenn Herr Krebs Ihre Bitte erfüllte?
Krebs (plötzlich erleichtert): Ganz richtig. Wir haben nicht das Recht, andere mit unserer Musik zu behelligen.
Achilles (niedergeschlagen): Ach je, und ich hätte doch so gern gewußt, was er von diesem Stück hält.
Krebs: Uff, das war aber knapp.
Achilles: Wie sagten Sie?
Krebs: Oh — nichts, nichts. Es ist nur der Kellner da drüben, ein anderer Kellner stieß ihn an, und nur mit Mühe konnte er verhindern, daß er eine ganze Kanne Tee in den Schoß einer Dame vergoß. Um ein Haar! Was sagen Sie dazu, Herr Schildkröte?
Schildkröte: Geschickt gemacht, nicht wahr, Achilles?
Achilles: Ja, sehr gelungen ...
Krebs: Nun, was immer Sie beide tun mögen — ich sollte wohl gehen. Mein Heimweg ist lang, und ich habe schon den ersten schönen Film im Fernsehen verpaßt.
Achilles: Sie meinen, „Der große Bluff“ lief gerade?
Krebs: Ganz richtig, Achilles.
Achilles: Ich muß mir das merken.
Krebs: Es war so ein gemütlicher Nachmittag, Achilles, und ich hoffe sehr, daß wir später einmal noch mehr musikalische Kompositionen austauschen können.
Achilles: Darauf freue ich mich sehr, Herr K. Auf Wiedersehen!
Schildkröte: Auf Wiedersehen, Herr K.
(Und eilig geht der Krebs auf der anderen Seite den Hügel hinab.)
Achilles: Da geht er, der brillante Bursche ... Nach meiner Schätzung ist er mindestens viermal so klug wie jeder andere Krebs. Oder vielleicht sogar fünfmal ...
Schildkröte: Wie Sie bereits am Anfang gesagt haben und wahrscheinlich für immerdar sagen werden — Worte in Ewigkeit, Ah ...!
KAPITEL XVII
Church, Turing, Tarski und andere
Formale und informale Systeme
W IR SIND AN EINEM P UNKT angelangt, an dem wir eine der Hauptthesen dieses Buches entwickeln können, nämlich daß das Denken in all seinen Aspekten als eine Beschreibung hoher Stufe eines Systems verstanden werden kann, das auf einer tieferen Stufe von einfachen, sogar formalen Regeln beherrscht wird. Das „System“ ist natürlich ein Gehirn — solange man nicht von Denkprozessen spricht, die in einem anderen Medium fließen, wie etwa die Schaltkreise eines Computers. Die Vorstellung ist die von einem formalen System, das einem „informalen System“ zugrunde liegt, einem System, das zum Beispiel Witze machen, Zahlenmuster entdecken, Namen vergessen, grobe Schnitzer im Schach machen kann usw. Das ist das, was man von außen sieht: die informale, zutage liegende Software-Ebene. Im Gegensatz dazu besitzt es eine formale, verborgene Hardware-Ebene (oder „Substrat“), einen Mechanismus von furchterregender Komplexität, der nach feststehenden, in ihn eingebauten Regeln je nach den eingegebenen Signalen von einem Zustand in einen anderen übergeht.
Eine solche Auffassung vom Gehirn hat natürlich viele philosophische und andere Konsequenzen. Einige will ich in diesem Kapitel näher ausführen. Unter anderem scheint diese Auffassung zu implizieren, daß das Gehirn im Grund eine Art „mathematisches“ Gebilde ist. Jedoch ist das im besten Falle eine sehr schwerfällige Betrachtungsweise. Selbst wenn nämlich das Gehirn in einem abstrakten oder technischen Sinn eine Art formales
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