Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
verschiedene Wege einschlagen, aber wahrscheinlich könnte der Taschen-, wenn nicht sogar der menschliche Rechner angewiesen werden, die Antwort auf eine bestimmte Weise zu errechnen.)
Repräsentierung des Wissens über die reale Welt
Nun scheint dies ganz plausibel zu sein, wenn der Bereich, auf den man sich bezieht, die Zahlentheorie ist, denn hier ist das Gesamtuniversum, in dem etwas geschieht, sehr klein und säuberlich abgegrenzt. Ihre Grenzen, ihre Bewohner und ihre Regeln sind wohldefiniert wie die Wege in einem sauber abgegrenzten Labyrinth. Eine solche Welt ist weit weniger kompliziert als die offene und schlecht definierte Welt, in der wir leben. Wenn ein Problem der Zahlentheorie einmal ausgesprochen ist, ist es in sich vollständig. Andererseits ist ein Problem der wirklichen Welt nie mit absoluter Sicherheit gegen irgendeinen anderen Teil der Welt abgeschirmt. Zum Beispiel kann die Aufgabe, eine ausgebrannte Glühbirne zu ersetzen, die Notwendigkeit mit sich brin-
Abb. 106 . Das Verhalten natürlicher Zahlen kann im menschlichen Gehirn oder in einem Computer widergespiegelt werden. Diese beiden Repräsentierungen können dann auf einer genügend abstrakten Ebene aufeinander abgebildet werden.
gen, einen Müllsack zu entfernen; das kann die unerwartete Folge haben, daß eine Schachtel voll Pillen ausgeleert wird; und das bedingt, daß man den Boden fegt, damit der Hund keine der verschütteten Pillen frißt usw. usw. Pillen und Müll und Hund und Glühbirnen sind alle recht entfernt verwandte Teile dieser Welt — aber durch einige alltägliche Geschehnisse treten sie in eine enge Verbindung miteinander. Und niemand vermag zu sagen, was geschehen wird, wenn andere kleine Abweichungen vom Erwarteten eintreten. Wenn man es dagegen mit zahlentheoretischen Problemen zu tun hat, dann braucht man bei ihrer Lösung niemals äußerliche Dinge wie Pillen oder Hunde oder Müllsäcke oder Besen zu berücksichtigen. (Natürlich kann die intuitive Kenntnis solcher Dinge von Nutzen sein, wenn man unbewußt versucht, Bilder zu erzeugen, die behilflich sind, das Problem in geometrischer Form zu sehen — aber das ist etwas anderes.)
Weil die Welt so komplex ist, kann man sich nur schwer einen kleinen Taschenrechner vorstellen, der an ihn gestellte Fragen beantworten kann, wenn man ein paar Knöpfe drückt, die Etiketten wie „Hund“, „Müll“, „Glühbirne“ usw. tragen. Bis heute hat es sich tatsächlich als äußerst kompliziert erwiesen, mit großen, sehr schnell arbeitenden Computern Fragen zu beantworten über das, was uns als eher simpler Teilbereich der wirklichen Welt vorkommt. Anscheinend muß viel hochintegriertes Wissen berücksichtigt werden, damit „Verstehen“ stattfinden kann. Die Denkprozesse der wirklichen Welt können wir mit einem Baum vergleichen, dessen sichtbarer Teil fest über dem Boden steht, der aber entscheidend auf seine unsichtbaren Wurzeln angewiesen ist, die sich weit in die Tiefe erstrecken und ihm Festigkeit und Nahrung verschaffen. In diesem Fall symbolisieren die Wurzeln komplizierte Vorgänge, die unter der Bewußtseinsebene stattfinden, Vorgänge, deren Auswirkungen unsere Denkweise beeinflussen, derer wir uns aber nicht bewußt werden. Das sind die „Auslösungsmuster von Symbolen“, die wir in Kapitel XI und XII behandelt haben.
Denken in der wirklichen Welt ist etwas ganz anderes als das, was bei der Multiplikation zweier Zahlen geschieht, wobei alles sozusagen „über dem Erdboden“ ist. In der Arithmetik kann die oberste Stufe „abgeschöpft“ und in viele verschiedene Arten von Hardware eingebaut werden: mechanische Addiermaschinen, Taschenrechner, Großcomputer, menschliche Gehirne usw. Das ist der Kern der Church-Turing-These. Wenn es sich aber um das Verständnis der wirklichen Welt handelt, scheint es keine einfache Methode zu geben, um die oberste Stufe „abzuschöpfen“ und für sich zu programmieren. Die auslösenden Symbolmuster sind ganz einfach zu komplex. Es muß verschiedene Stufen geben, durch die die Gedanken „sickern“ und „blubbern“ können.
Insbesondere — und damit greifen wir auf ein Hauptthema von Kapitel XI und XII zurück — bringt die Darstellung der wirklichen Welt im Gehirn gewisse Elemente ins Spiel, die in der äußeren Welt überhaupt keine Entsprechungen besitzen. Das heißt, es gibt weit mehr als nur die einfachen geistigen Strukturen, die „Hund“, „Besen“ usw. repräsentieren. Gewiß existieren all diese
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