Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Selbstbeobachtung solcher Menschen wie auch aus umfangreichen psychologischen Forschungen hat man schließen können, daß während der Arbeit im Kopf der Schnellrechner nichts Okkultes stattfindet, sondern nur, daß ihr Denken durch die Zwischenstufen rast — mit jenem Selbstvertrauen, das der geborene Athlet hat, wenn er eine komplizierte Bewegung rasch und elegant ausführt.
Sie erhalten ihre Lösungen nicht durch eine Art plötzlicher Erleuchtung (obgleich es einigen subjektiv so vorkommen mag), sondern, wie wir alle, durch schrittweise Berechnung, d. h. durch „FlooP“ und „BlooP“.
Übrigens ist ein auf der Hand liegendes Zeichen dafür, daß kein „heißer Draht“ zu Gott im Spiel ist, die einfache Tatsache, daß die Antworten mehr Zeit brauchen, wenn die Zahlen größer werden. Wenn Gott durch ein Orakel die Antwort gäbe, würde der Rechner vermutlich nicht langsamer werden, wenn die Zahlen größer werden. Man könnte wohl eine hübsche graphische Darstellung anfertigen, die zeigt, wie die von einem Schnellrechner benötigte Zeit mit der Größe der Zahlen variiert, und daraus gewisse Eigenschaften der verwendeten Algorithmen ableiten.
Die Isomorphie-Version der Church-Turing-These
Das führt uns schließlich zu einer verschärften Standardversion der Church TuringThese:
C HURCH -T URING -T HESE , I SOMORPHIE -V ERSION : Angenommen, es gibt eine Methode, die ein vernunftbegabtes Wesen anwendet, um Zahlen in zwei Klassen aufzuteilen; und angenommen außerdem, daß diese Methode immer in einer endlichen Zeitspanne eine Antwort und für eine gegebene Zahl immer die gleiche Antwort ergibt, dann existiert ein endliches FlooP-Programm (d. h. eine allgemein rekursive Funktion), die genau die gleiche Antwort ergibt wie die Methode des vernunftbegabten Wesens. Zudem: Der Denkprozeß und das FlooP-Programm sind isomorph in dem Sinn, daß auf einer gewissen Ebene zwischen den ausgeführten Schritten sowohl im Gehirn wie auch im Computer eine Entsprechung besteht.
Man beachte, daß nicht nur die Schlußfolgerung verschärft worden ist, sondern auch, daß die Bedingungen der Mitteilbarkeit der schwächeren öffentlichen Version fallengelassen wurde. Diese kühne Version ist die, die wir nunmehr diskutieren wollen.
Kurz gesagt behauptet diese Version, daß, wenn man etwas berechnet, diese geistige Tätigkeit isomorph in einem FlooP-Programm gespiegelt werden kann. Und seien wir uns außerdem ganz klar darüber, daß das nicht bedeutet, daß das Gehirn tatsächlich ein FlooP-Programm durchlaufen läßt, komplett mit Zeichen wie ANFANG , ENDE , BRECHE AB usw. — ganz und gar nicht. Es geht nur darum, daß die Schritte in der gleichen Reihenfolge vorgenommen werden wie in einem FlooP-Programm und daß die logische Struktur der Berechnung im FlooP-Programm gespiegelt werden kann.
Damit wir diese Vorstellung sinnvoll verwenden können, müssen wir sowohl im Gehirn wie auch im Computer gewisse Ebenen unterscheiden, denn sonst könnte sie als barer Unsinn mißdeutet werden. Vermutlich finden die Schritte einer Berechnung im Kopf eines Menschen auf der höchsten Stufe statt und werden von tieferliegenden Stufen sowie wahrscheinlich von Hardware getragen. Wenn wir also von Isomorphie sprechen, bedeutet das, daß wir stillschweigend angenommen haben, daß die höchste Stufe isoliert werden kann, was uns gestattet, das, was dort geschieht, unabhängig vonanderen Ebenen zu diskutieren und dann diese oberste Stufe auf FlooP abzubilden. Genauer gesagt ist die Annahme die, daß es Software-Gebilde gibt, die die Rolle verschiedener mathematischer Konstrukte spielen und die auf eine Weise aktiviert werden können, welche in FlooP exakt widergespiegelt werden kann (Abb. 106). Was diesen Softwaregebilden zu existieren erlaubt, ist die gesamte in Kapitel XI und XII sowie in Präludium und ... emsige Fuge diskutierte Infrastruktur. Es wird nicht behauptet, daß auf den tieferen Stufen des Gehirns und des Computers (z. B. Neuronen, Bits) isomorphe Aktivität stattfindet.
Es ist im Geist der Isomorphie-Version, wenn auch nicht dem Buchstaben nach, wenn man sagt, daß das, was der „Idioten-Gelehrte“ tut, wenn er, sagen wir, den Logarithmus von π errechnet, isomorph dem ist, was ein Taschenrechner in diesem Falle tut — wobei die Isomorphie auf der Stufe der Arithmetik gilt, nicht aber auf den tieferen Stufen, in einem Falle der der Neuronen, im anderen der integrierten Schaltkreise. (Natürlich kann man bei der Berechnung
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