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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Computer sind lächerlich. Das gilt für die Wissenschaft überhaupt.
    Diese Ansicht ist bei gewissen Menschen im Schwang, die in allem, was nach Zahlen oder nach Genauigkeit schmeckt, eine Bedrohung menschlicher Werte erblicken. Schade ist, daß sie die Tiefe, Komplexität und Schönheit nicht zu würdigen wissen, diedie Erforschung abstrakter Strukturen; wie etwa der des menschlichen Geistes, enthüllt, wo man tatsächlich In engen Kontakt mit den letzten Fragen nach dem Wesen des Menschen kommt.
    Zurück zur Schönheit. Wir wollten uns überlegen, ob die Erkenntnis der Schönheit ein Vorgang im Gehirn ist, und wenn ja, ob ein Computer ihn nachbilden kann. Wer glaubt, daß sie sich nicht aufs Gehirn zurückführen läßt, glaubt sicher nicht, daß ein Computer diese Eigenschaft besitzt. Diejenigen aber, die an einen Gehirnprozeß glauben, teilen sich ihrerseits je nach der CT-These-Version, an die sie glauben, in verschiedene Gruppen auf. Ein konsequenter Reduktionist müßte glauben, daß jeder Gehirnvorgang grundsätzlich in ein Computerprogramm transformiert werden kann; andere jedoch könnten der Ansicht sein, daß „Schönheit“ ein zu locker definierter Begriff ist, als daß ein Computerprogramm jemals damit etwas anfangen könnte. Vielleicht meinen sie, daß die Wahrnehmung der Schönheit ein Element des Irrationalen enthalten muß, und deshalb mit dem eigentlichen Wesen eines Computers unvereinbar ist.
Irrationales und Rationales können auf verschiedenen Ebenen koexistieren
    Indessen beruht die Vorstellung, daß „Irrationalität mit Computern unvereinbar“ sei, auf einer schwerwiegenden Verwirrung der Ebenen. Diese irrige Auffassung rührt von der Vorstellung her, daß Computer fehlerfrei funktionierende Maschinen sind, die deshalb auf allen Ebenen „logisch“ sein müssen. Und doch liegt es auf der Hand, daß ein Computer angewiesen werden kann, eine Folge unlogischer Aussagen auszudrucken — oder, zur Abwechslung, ein Bündel von Aussagen mit zufälligem Wahrheitsgehalt. Und ein Computer würde keine Fehler begehen, wenn er diesen Anweisungen folgte! Im Gegenteil — ein Fehler wäre es, wenn der Computer etwas anderes ausdruckte als die Aussage, die auszudrucken er angewiesen worden ist. Das zeigt, wie fehlerfreies Funktionieren auf einer Ebene der Symbolmanipulation auf einer höheren Stufe zugrunde liegen kann — und die Ziele auf der höheren Ebene haben vielleicht überhaupt nichts mit der Verbreitung der W AHRHEIT zu tun.
    Man kann dieses Problem auch dadurch ins richtige Licht rücken, indem man sich daran erinnert, daß auch ein Gehirn eine Ansammlung fehlerfrei funktionierender Elemente — der Neuronen — ist. Wann immer die Schwelle eines Neurons von der Summe der eingehenden Symbole überschritten wird, wird es erregt und feuert — PENG! — seine Impulse ab. Daß ein Neuron sein arithmetisches Wissen vergißt, sorglos seinen Input addiert und ein falsches Ergebnis erhält, kommt nie vor. Sogar wenn ein Neuron stirbt, funktioniert es weiterhin richtig in dem Sinn, daß seine Bestandteile weiterhin an die Gesetze der Mathematik und der Physik gebunden sind. Wie wir aber alle wissen, sind Neuronen durchaus fähig, Verhalten hoher Stufe, das aber falsch ist, in ganz erstaunlicher Weise zu unterstützen. Abb. 109 soll solch ein Aufeinanderprallen von Ebenen zeigen: einen unrichtigen Glauben in der Software des Geistes, gestützt durch die Hardware eines fehlerfrei funktionierenden Gehirns.
    Der springende Punkt — einer, den wir in früheren Zusammenhängen mehrfach

Abb. 109 . Das Gehirn ist rational , der Geist vielleicht nicht. [Zeichnung des Autors.]
    betont haben — ist einfach der, daß Bedeutung auf zwei oder mehr verschiedenen Stufen eines Symbole manipulierenden Systems vorkommen kann, und daß es zusammen mit Bedeutung auf allen Stufen Richtigkeit und Unrichtigkeit geben kann. Ob auf einer bestimmten Stufe Bedeutung vorhanden ist, bestimmt sich dadurch, ob Realität in einer isomorphen (oder lockeren) Weise auf dieser Stufe widergespiegelt wird. So hat also die Tatsache, daß die Neuronen immer richtige Additionen (und noch viel verwickeltere Operationen) ausführen, überhaupt keinen Einfluß auf die Richtigkeit der Schlußfolgerungen jener höchsten Stufe, die von ihrer Maschinerie getragen wird. Ob die oberste Stufe damit beschäftigt ist, Kōans in Booleschem Buddhismus zu beweisen oder über S ÄTZE der Zen-Algebra zu meditieren — die Neuronen funktionieren

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