Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
einem widerspruchsvollen formalen System alles beweisen läßt. 11
Dieser letzte Satz zeigt, daß Lucas annimmt, die Aussagenlogik müsse notwendigerweise in ein formales System eingebaut werden, das folgerichtiges Denken ausführt. In diesem Zusammenhang denkt er an den aussagenlogischen S ATZ << P ∧~ P >⊃ Q >. Offensichtlich ist er der irrigen Meinung, dieser S ATZ sei eine notwendige Eigenschaft mechanischen folgerichtigen Denkens. Indessen ist es durchaus einleuchtend, daß logische Gedankengänge, wie folgerichtiges Denken in der Aussagenlogik, als Folge der allgemeinen Intelligenz eines AI-Programms auftaucht und nicht, weil sie vorprogrammiert wäre. Das ist es, was in den Menschen geschieht! Und es liegt kein besonderer Grund zur Annahme vor, daß die strenge Aussagenlogik mit ihren starren Regeln und der eher einfältigen Definition der Widerspruchsfreiheit, die sich aus ihnen ergibt, aus einem solchen Programm auftauchte.
Eine Untermauerung für Al
Wir können diesen Ausflug in das Gebiet der unterschiedlichen Ebenen zusammenfassen und erhalten so die endgültige, stärkste Fassung der Church-Turing-These:
C HURCH -T URING - T HESE , AI-V ERSION : Geistige Prozesse jeder Art können durch ein Computerprogramm simuliert werden, dessen zugrundeliegende Sprache der von FlooP gleichkommt, das heißt in dem alle partiell rekursiven Funktionen programmiert werden können.
Es wäre noch darauf hinzuweisen, daß in der Praxis viele AI-Forscher sich auf einen anderen Glaubenssatz stützen, der eng mit der CT-These verwandt ist, und den ich die AI-These nenne. Sie lautet ungefähr folgendermaßen:
AI-T HESE : In dem Grad, in dem sich die Intelligenz von Maschinen entwickelt, werden die ihr zugrundeliegenden Mechanismen allmählich mit den der menschlichen Intelligenz zugrundeliegenden Mechanismen konvergieren.
In anderen Worten sind alle Intelligenzen nur Variationen eines einzigen Themas; um wahrhafte Intelligenz zu erschaffen, müssen die AI-Forscher zu noch tiefer liegenden Stufen vorstoßen, immer näher zu den Gehirnmechanismen, wenn sie wollen, daß ihre Maschinen die Fähigkeiten erreichen, die wir besitzen.
Churchs Satz
Kehren wir nunmehr zum Krebs zurück und zu der Frage, welches Entscheidungsverfahren für die Eigenschaft, S ATZ zu sein (dort präsentiert als Filter für musikalische Schönheit), sich mit der Wirklichkeit verträgt. Die Geschehnisse im Dialog lassen nicht darauf schließen, ob das Talent des Krebses die Fähigkeit ist, S ÄTZE von Nicht- S ÄTZEN oder auch wahre Aussagen von falschen zu unterscheiden. In vielen Fällen läuft das natürlich aufs gleiche hinaus, aber Gödels Satz zeigt, daß das nicht immer der Fall ist. Doch das macht nichts: Beide Alternativen sind unmöglich, wenn man der AI-Version der Church-Turing-These glaubt. Die Behauptung, daß in einem formalen System mit der Leistungsfähigkeit von TNT ein Entscheidungsverfahren für S ATZ heit unmöglich ist, ist als Churchs Satz bekannt. Die Behauptung, daß ein Entscheidungsverfahren für zahlentheoretische Wahrheit unmöglich sei, wenn eine solche Wahrheit existiert was man mit Fug und Recht bezweifeln kann, nachdem man alle Verästelungen von TNT kennengelernt hat —, geht ohne Schwierigkeit aus Tarskis Satz hervor (veröffentlicht 1933, obschon die Idee Tarski schon sehr viel früher bekannt war).
Die Beweise für diese zwei äußerst wichtigen Ergebnisse der Metamathematik sind sehr ähnlich. Beide leiten sich leicht aus selbstbezüglichen Konstruktionen ab. Betrachten wir zunächst die Frage eines Entscheidungsverfahrens für TNT-S ATZ heit. Gäbe es ein einheitliches Entscheidungsverfahren, in welche Klasse — „S ATZ “ oder „Nicht-S ATZ “ — eine bestimmte Formel X fiele, dann existierte kraft der CT-These (Standardversion) ein endliches FlooP-Programm (eine allgemein rekursive Funktion)das die gleiche Entscheidung treffen könnte, wenn man ihm die Gödelnummer der Formel X eingibt. Entscheidend dabei ist, daß jede Eigenschaft, die man durch ein endliches FlooP-Programm testen kann, innerhalb von TNT repräsentiert ist. Das heißt, daß die Eigenschaft TNT-S ATZ zu sein, innerhalb von TNT repräsentiert (statt nur ausgedrückt) würde. Wie wir aber gleich sehen werden, würden wir in Schwierigkeiten geraten, denn wenn S ATZ heit ein repräsentierbares Attribut ist, dann wird die Gödel-Formel G so tückisch wie die Paradoxie des Epimenides.
Alles hängt davon ab, was G sagt: „G ist kein S ATZ
Weitere Kostenlose Bücher